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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht
Autoren: Stephanie Seidel
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den Raum.
    Bellard hob abwehrend die Hände. »Wir wissen ja gar nicht, was tatsächlich geschieht, wenn ›Christopher-Floyd‹ einschlägt! Wer sagt, dass Britannien untergeht? Vielleicht werden nur einzelne Länder betroffen sein.« Er zuckte die Schultern. »Aber vielleicht explodiert auch der ganze Planet und diese Unterredung war nutzlos!«
    Der Sechzigjährige stand auf, trat an den Schreibtisch und holte ein schweres, in Leder gebundenes Buch aus der Schublade. Bellard betrachtete es versonnen, während er fortfuhr: »Die Bruderschaft der Custoden besteht seit mehr als anderthalb Jahrtausenden, Gentlemen. Wahrscheinlich sind wir die letzte Generation! Trotzdem: Selbst wenn die heutige Menschheit dem Untergang geweiht ist, sollte unser Wissen nicht verloren gehen.« Er nickte Lord Cavenaugh zu. »Dieses Buch ist mein Lebenswerk. Ich habe darin Nuntimors Chronik festgehalten.«
    »So weit sie bekannt ist«, warf Lord Cavenaugh ein, und Bellard runzelte die Stirn.
    »Ja, natürlich: so weit sie bekannt ist – was sonst?«, fragte er unwillig. »Ich denke nicht, dass es der Sache dienlich wäre, einen Roman zu schreiben! Die Fakten sollen erhalten bleiben.«
    Sir James meldete sich zu Wort. »Für wen, Charles? Den Kometeneinschlag selbst werden hoffentlich einige Menschen überleben, aber was kommt danach? Wie sehen die späteren Generationen aus? Legen sie noch Wert auf Bildung? Können sie überhaupt noch lesen?«
    Bellard lächelte. »Darüber habe ich nachgedacht, alter Freund, und mir ist etwas eingefallen.« Er wandte sich an alle. »Sie haben es wahrscheinlich schon erfahren, Gentlemen: Ich trete meinen Platz im Regierungsbunker an einen anderen Custoden ab. Mir behagt die Vorstellung nicht, den Rest meines Lebens auf engstem Raum mit Politikern zu verbringen.«
    »Verständlich, Minister!«, sagte Lord Cavenaugh trocken.
    Bellard tat, als hätte er nichts gehört. »Hier in Cornwall, das wissen Sie, gibt es viele Zinnminen aus dem letzten Jahrhundert. Eine davon befindet sich in unmittelbarer Nähe meines Anwesens. Die Stollen reichen tief ins Erdreich, und ich habe darin Schutzräume einrichten lassen.« Er zögerte. »Mein Sohn ist ein Künstler. Tom wird die Chronik der Custoden an die Minenwände malen, so kann sie jemand in späteren Zeiten aus den Bildern ablesen. Ist er ein einfacher Mensch, sieht er nur eine Geschichte. Ist er aber klug und vermag die versteckten Zeichen zu deuten, wird er Nuntimor finden.«
    Lord Cavenaugh zupfte nachdenklich an seinem Kinnbart. »Aber kommt er auch an das Versteck heran? Ich meine: Steht da eine Warnung vor den tödlichen Fallen?«
    Bellard beugte sich vor. »Nein, das wäre zu einfach. Wer Nuntimor haben will, muss es sich verdienen.« Er ergriff sein Glas, hob es hoch und brachte einen Toast aus. »Auf uns! Auf den Weltuntergang, und auf Ihre Majestät!«
    »Ihre Majestät!«, wiederholten die Custoden, und die Sterne am Himmel über England funkelten dazu.
    ***
    9. November 2522
    Grao’sil’aana hatte ein Problem, das wurde ihm im Morgengrauen an Deck bewusst. Das Wetter hatte sich verschlechtert, die Roter Bhagar stampfte und rollte durch aufgebrachte Wellen, und sein Wirtskörper in Tarngestalt hing festgeklammert über der Reling, wo er sich röhrend erbrach. Er vertrug die Seefahrt nicht. Das war nichts Neues, ebenso wenig wie Daa’tans Reaktion. Der Junge klopfte ihm auf den Rücken, sagte mit schlecht verhohlener Schadenfreude: »Wird schon wieder, Grao!«, und trollte sich.
    Der Daa’mure empfand dies alles als ärgernd und peinlich, doch es war nicht das Problem. Nein, was Grao’sil’aana bekümmerte, war die Tatsache, dass er überhaupt etwas empfand.
    (Emotionen sind Auslöser chemischer Prozessabläufe im Gehirn und dienen damit ausschließlich der Unterstützung einer situationsbezogenen, sinnvollen Entscheidungsfindung!) , dachte er und fragte sich verzweifelt, warum er dann dem Prototyp so gern eine reinhauen wollte.
    Grao’sil’aana war verwirrt. Im Leben eines Daa’muren spielten Empfindungen eine untergeordnete Rolle. Sie waren da, aber leicht zu kontrollieren und niemals im Weg. Besonders die ranghohen Sils und natürlich der Sol agierten ausschließlich auf rationaler Basis. Was also war geschehen? Anscheinend hatte sich Grao’sil’aanas kleines Gefühlspotential selbständig gemacht! Es wuchs und wuchs und brachte den Daa’muren an den Rand einer Krise, von der er bis dato gar nicht gewusst hatte, dass es sie gab.
    (Wir
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