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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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die Deckung. Er schrie Aruula Unverständliches zu, streckte eine dünne Lanze weit in die Höhe und versteckte sich gleich darauf wieder.
    Die Barbarin bemühte sich, ihr Erschrecken zu verbergen. Der Mann trug fürchterliche Entstellungen im Gesicht. Vielleicht Kampfnarben, vielleicht rituelle Verstümmelungen.
    »Verstehst du diese Sprache?«, fragte sie Chabilay Tihm, der sich hinter Yngves breitem Rücken verbarg.
    Er verneinte. Seine Stimme zitterte. »Kei Mesch isch jemasch mi Scheeschigeu tschuschamm geschdoschen un ha üwaleb.«
    Aruula ignorierte den Angsthasen, stützte sich aufs Schwert und atmete tief durch. »Kann mich jemand von euch verstehen?«, rief sie über die mittlerweile mehr als fünfzig Schiffe hinweg, die sie fast vollständig umringt hatten.
    Ein leiser, mit Füßen geklopfter Rhythmus antwortete ihr, schwoll allmählich an, brachte die Flachschiffe zum Schaukeln.
    Immer mehr Speere und Lanzen zeigten sich, wurden gegen sie gerichtet, begleitet von Zisch- und Schnalzlauten.
    »Jetzt nur keine falsche Bewegung!«, warnte Yngve eindringlich. »Ich glaube, sie haben Angst oder Respekt vor uns.«
    »Wahrscheinlich beides.« Aruula nickte langsam, während sie starr vor sich hin blickte. »Wir beide dürften gut einen Kopf größer als sie sein. Deine Haarfarbe scheint sie ebenfalls aufzuregen.«
    Yngve trat neben sie und schüttelte seine verfilzte und strähnige Haarpracht. Augenblicklich änderte sich der Rhythmus der Musik, wurde aufgeregter und lauter.
    »Du solltest dich besser wieder hinsetzen und keine Bewegung mehr machen«, wies ihn Aruula leise an. »Und bring unseren Freund zum Schweigen. Der dreht uns gleich durch.«
    Ein dumpfes Geräusch ertönte, als träfe Metall auf Holz. Chabilay Tihm stolperte gegen ihren Rücken, rutschte dort langsam zum Boden hinab.
    »Besser so?«, fragte Yngve.
    »Ich hoffe, du hast nicht zu fest zugeschlagen.«
    »Er wird in ein paar Stunden wieder aufwachen«, gab der Noorwejer zur Antwort, um flüsternd hinzuzufügen:
    »Hoffe ich zumindest.«
    Aruula legte ihr Schwert auf die Planken, stellte sich breitbeinig hin und reckte die Arme weit in den Himmel.
    »Ich komme als Freund!«, wiederholte sie eindringlich und dachte an das Messer in ihrer Hüfttasche. »Versteht mich denn niemand von euch?«
    Neuerlich verstärkten sich Singsang und Rhythmus.
    Antworten wollte oder konnte niemand.
    Einer der Schilde klappte plötzlich nach vorn. Die Frau dahinter stürmte auf das Floß, klatschte Aruula mit einer Art Reisigbesen über die Oberschenkel und huschte sofort wieder davon.
    »Greif ja nicht zum Schwert!«, mahnte sie Yngve gerade noch rechtzeitig und hielt ihre Schlaghand fest.
    »Diese Bettratze überlasse ich dir!«, sagte sie gepresst zum Noorwejer. »Ich habe selten ein derart hässliches Geschöpf gesehen.«
    Die Seezigeunerin hüpfte nun in wenigen Metern Abstand nackt, wie Wudan sie schuf, auf und ab. Ihr wollähnliches, verfilztes Haar war in mehreren Knoten nach hinten gebunden, der ausgemergelte Körper über und über mit Ruß und Schmutz bedeckt. Die Brüste, schmal und röhrenförmig, waren wahrscheinlich von einem guten Dutzend Bälger in die Länge gezogen worden. Am auffälligsten an der Alten, die obszöne Gesten machte und ihnen immer wieder den nackten Hintern zuwandte, waren aber die blutroten, angespitzten Zähne.
    Ein weiteres der Geschöpfe kam heran, diesmal von der Seite. Ein Mann, nicht minder abstoßend. Eine Art Horn war mit einem Lederband über seinen Penis gebunden. Sonst war er nackt – sah man von breiten Grätenfächern ab, die er im Brust- und Bauchbereich unter die Haut getrieben hatte. Auch er sprang mit urtümlicher Wildheit hin und her, rollte die Augen, spuckte verächtlich in ihre Richtung.
    »Bei Orguudoo – was stinkt dieser Kerl!«, sagte Aruula zwischen zwei flachen Atemzügen.
    »Sie wollen uns einschüchtern.« Yngve blieb bewundernswert ruhig.
    »Ich weiß.« Aruula trat blitzschnell einen Schritt vor, packte den Kleinen an den Haaren, versetzte ihm mit der Rechten einen mittelprächtigen Nasenstüber und stieß ihn weit von sich, sodass er gegen das Schild eines anderen Seezigeuners prallte. Als er sich wieder hochrappelte, verstummte der Singsang.
    Aruula hatte wieder ihre ursprüngliche Position eingenommen, stand breitbeinig da – und hielt die Penishülle ihres Gegners wie eine Trophäe in die Höhe.
    Schweigen.
    Dann: Lachen.
    Zuerst zögerlich, ganz allmählich lauter, kreischender und
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