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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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Chancen stehen genauso gut oder schlecht wie die unseren. Wir werden ihm die Wunden versorgen und die Finger schienen. Überlebt er, ist es gut. Stirbt er, lässt es sich nicht ändern.«
    Sie lächelte bitter. »Da wir ohnehin keine Lebensmittel bei uns haben, kann er uns nichts wegessen.«
    »Du quälst ihn unnötig, Aruula«, widersprach Yngve.
    »Siehst du nicht, wie er leidet? Wenn er wenigstens helfen könnte, unser Floß in eine bestimmte Richtung zu bewegen. So ist er nur nutzloser Ballast.«
    Aruula stellte sich auf, balancierte ihr Körpergewicht geschickt auf den schwankenden Holzplanken aus. »Hör mir gut zu, Großer: Ich gebe einen Menschen, der tapfer an meiner Seite gekämpft hat, nicht einfach so auf! Wir drei sind Waffenbrüder. Der Ehrenkodex der Kriegerinnen der Dreizehn Inseln verlangt, dass wir für ihn sorgen. Gelten in deiner Heimat nicht ähnliche Gesetze?«
    Yngve versuchte ihrem Blick standzuhalten und senkte schließlich den Kopf. »Verzeih mir«, murmelte er, »du hast Recht. Wir sind Waffenbrüder.« Der Noorwejer schüttelte den Kopf. »Es sind dieses verfluchte Wasser, die Temperaturen und die Feuchtigkeit. Das alles drückt sich auf Kopf und Gemüt. Es ist zum Verrücktwerden…«
    »Schon gut, Yngve.« Aruula packte ihn am Arm. »Wir stehen das durch. Wir werden das Ziel erreichen. Komme, was wolle.«
    Das Ziel… jener brennende Felsen, den wohl Hunderte oder Tausende von Telepathen in ihren Köpfen erblickt hatten, kurz nachdem die große Explosion am Kratersee erfolgt war. Sie alle wurden von dieser Vision wie magisch angezogen.
    Was erwartete Aruula dort? Würde sie letztlich ihren Frieden finden und Maddrax endgültig vergessen können? Oder bot die Macht im Felsen eine Chance, ihn zurückzuholen?
    Chabilay Tihm röchelte leise. Er stammelte Unverständliches und griff schließlich mit der unverletzten Hand nach ihr. Dem Söldner war die Angst ins verunstaltete Gesicht geschrieben.
    Fürchtete er sich vor dem Tod oder vor den Tagen, die kommen würden? Es gab wohl kein besseres Gefängnis als diese hölzerne, wackelige Plattform. Es dauerte sicherlich noch mehrere Stunden, bis Regen fiel. Bis dahin mussten sie warten – und hoffen.
    ***
    »Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte Yngve.
    Sehnsüchtig blickte er nach Osten. Gigantische Wolkentürme bildeten sich dort, schoben sich immer höher und verdunkelten allmählich den Horizont. Ein erster Blitz löste sich aus ihnen.
    »Wir sollten uns und ihn festzurren.« Aruula wischte sich Schweiß von der Stirn und deutete auf Chabilay.
    »Besser nicht«, widersprach der Noorwejer. »Ich möchte nicht von einer Holzplanke erschlagen werden, an die ich gebunden bin.«
    Aruula zögerte, gab ihrem Waffenbruder schließlich Recht.
    »Was ist eigentlich in dem Korb?«, fragte er.
    Sie blickte sich um. Da lag das seltsame Gefäß, das unterhalb der Tierblasen festgebunden gewesen war.
    Warum hatten sie sich nicht schon früher damit beschäftigt?
    Nun, es gab eine einfache Begründung: Hitze und Feuchtigkeit brannten ihnen tagsüber jeden vernünftigen Gedanken aus dem Hirn. Dumpf brütend saßen sie seit Stunden da und hielten mit Hilfe zweier ruderähnlicher Hölzer einen Kurs dorthin, wo sie Festland vermuteten.
    Womöglich kamen sie keinen Meter vorwärts. Die Strömungen des Meeres waren, wie sie beide wussten, genauso unberechenbar wie die Götter. Zudem gab es inmitten dieser blaugrauen Wüste keinerlei Anhaltspunkt.
    Jener Ozean, der die Dreizehn Inseln umrahmte, war so ganz anders gewesen als dieser hier. Stets waren kühle Winde über die dunklen Wasser geweht; niemals hatte man voraussagen können, wann der Zorn der Götter Stürme, Hagel und Blitz hervorbrachte. Hier und heute folgte das Wetter einem scheinbar bis in alle Ewigkeiten festgeschriebenen, ermüdenden Ablauf.
    Aruulas Arme schmerzten. Sie ließ den Blick übers Wasser schweifen. Fische, die sie mit ihren Waffen hätten erlegen können, hatten sie bislang nicht gesichtet.
    Sie fühlte sich hilfloser denn je. Die Welt, die sie seit ihrer Abreise vom Kratersee durchstreifte, wurde ihr fremder und fremder.
    Die Barbarin griff nach dem Korb in dem Eisengeflecht.
    Gefettete Ledertücher befanden sich darunter, die irgendetwas umhüllten. Zornige Himmelsgötter, die regelmäßig jeden Tag ihre Arbeit erledigten, sandten weitere Blitze vom Firmament herab, als wollten sie nicht, dass sie sich um den Inhalt des Korbes kümmerte.
    Ungeschickt nestelte Aruula an den Tüchern
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