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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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Yngve. Er wischte sich die nassen Haare aus dem verschwollenen Gesicht.
    Tatsächlich! An der Unterseite der sechs miteinander verbundenen Tierblasen hing ein Korb an einem meterlangen Seil.
    Mit vereinten Kräften hoben sie das schwere Ding auf die Planken neben den Bewusstlosen, kümmerten sich aber erst einmal nicht weiter darum.
    Mit klammen Fingern lösten sie die Bastseile und banden alle Hölzer, die sie hatten greifen können, so gut und fest wie möglich aneinander. Ihre Glieder schmerzten, die Wunden brannten, die Erschöpfung ließ kein normales Denken mehr zu. Stumpf werkten sie vor sich hin. Nach Aruulas Gefühl dauerte es Stunden, bis sie ihre Arbeit in dieser sternenlosen Nacht erledigt hatten.
    »Es wird reichen«, murmelte Yngve, »wir müssen uns heute keine Sorgen mehr machen.«
    Wie auf Kommando zogen sie sich von zwei verschiedenen Seiten gleichzeitig auf das behelfsmäßige Floß und genossen einige Momente der Erholung. Das Konstrukt bot ausreichend Fläche für sie, den Korb und den bewusstlosen Kampfkameraden.
    »Einer von uns sollte wach bleiben«, lallte Yngve erschöpft.
    »Is besser«, gab Aruula zur Antwort – und schlief augenblicklich ein.
    2.
    Aruula erwachte mit dem Einbrechen jener unglaublich drückenden Hitze, an die sie sich wohl niemals gewöhnen würde. Natürlich waren die Temperaturen hier auf See wesentlich angenehmer zu ertragen als auf den großteils von Dschungelpflanzen überwucherten Inseln – und dennoch fühlte sie sich so unwohl wie in einem Back- oder Schmerofen.
    »Das Meer hat sich beruhigt«, sagte Yngve statt einer Begrüßung. Er blinzelte wie sie gegen die Sonne, die bereits zwei Handbreit über dem Horizont stand.
    »Du siehst aus, als hättest du die letzten drei Nächte hintereinander durchgezecht, durchgehurt und auch noch mehrere Schlägereien verloren«, krächzte die Barbarin.
    »Danke, gleichfalls«, entgegnete Yngve. »Einen Schönheitswettbewerb wirst du heute nicht mehr gewinnen.«
    Aruula fuhr sich mit den aufgequollenen Fingern über gesprungene Lippen, tastete ihre salzverkrustete Haut ab, hob schließlich ihren linken Oberschenkel.
    »Da!«, sagte sie schwer.
    »Was meinst du?«
    »Diese Stelle«, – sie deutete auf ein münzgroßes Stückchen Haut –, »tut nicht weh.«
    Yngve lächelte gequält. »Du hast einen goldigen Humor, Frau von den Dreizehn Inseln.«
    »Humor alleine wird uns nicht weiterhelfen.«
    Übergangslos wurde sie ernst, stand auf und drehte sich rundum. »Ich sehe überall nur Wasser und Himmel. Kein Land, keine Vögel, nicht einmal eine Wolke.«
    »Verdursten werden wir wohl kaum«, meinte Yngve und streckte sich ausgiebig. »Der Regen setzt pünktlich jeden Nachmittag ein. Drei Stunden, nachdem die Sonne ihren Höchststand passiert hat.«
    »Mit derselben Regelmäßigkeit kommen auch Wind und Sturm. Ob diese verrotteten Bretter mehr als ein paar schwere Brecher aushalten?«
    Ein Ächzen und Stöhnen unterbrach ihr Gespräch. Das geschwollene und vom Meeressalz gepökelte Gesicht ihres verletzten Begleiters kam unter einem feuchten Fell zum Vorschein.
    »Ich kümmere mich um ihn«, sagte Aruula und beugte sich zu dem kleinen Mann hinab. Ein schlechtes Gewissen plagte sie. Möglicherweise musste er sterben, weil sie gestern nicht mehr die Kraft gefunden hatten, sich um ihn zu sorgen.
    »Ganz ruhig«, flüsterte sie dem Söldner zu und strich ihm die dunklen, fettigen Haare aus dem Gesicht. Seine Augen glänzten fiebrig. »Du bist Chabilay Tihm, nicht wahr?«
    Er nickte schwach, sagte aber kein Wort.
    Kein Wunder; wie Aruula an Bord der GLÜCKSPERLE erfahren hatte, war er sprachbehindert. Einer seiner ehemaligen Herrn hatte ihm den Vorderteil der Zunge ausbrennen lassen.
    Die Barbarin begutachtete Chabilays Schulter. Der Pfeil saß fest, so fest, dass er sich ohne geeignetes Werkzeug nicht aus dem Fleisch ziehen lassen würde. Die Entzündungen hielten sich in Grenzen. Das Meeressalz, das sicherlich teuflisch brannte, verhinderte andererseits weitere Schwärungen.
    Drei Finger seiner Linken, zu Brei zerquetscht, waren nicht mehr zu gebrauchen. Der Söldner würde möglicherweise sein Schwert in die Ecke stellen müssen – so sie diese Reise auf ihrem kleinen Floß überlebten.
    »Er schafft es nicht«, sagte Yngve, während er die Verschnürungen überprüfte und neu verzurrte. »Wir sollten ihm sein Schicksal erleichtern…«
    »Das will ich nicht gehört haben«, entgegnete Aruula, ohne sich zu ihm umzudrehen. »Seine
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