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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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schwankend auf die Beine und reihte sich bei den tanzenden Mooken ein. »'sch weadsch euch tscheign!«, rief er, nahm einen lächerlich kurzen Anlauf, torkelte auf einen der Feuerpötte zu, zog die Füße an – und sprang darüber hinweg.
    Beziehungsweise versuchte er es.
    Mit lautem Gequieke landete er inmitten der Flammen, schlug wild um sich, wurde von geistesgegenwärtigen Mooken herausgezerrt und mit dem Hintern voran in einen ebenfalls bereitstehenden, riesigen Wasserbottich getunkt.
    Laut prustend und sich bei seinen Göttern beschwerend, kam Chabilay Tihm unter dem Gelächter der Seezigeuner wieder zum Vorschein. Auch Aruula und Yngve mussten kichern. Eilig wurden die Brandwunden versorgt, die sich hauptsächlich auf die Kehrseite des Söldners konzentrierten. Weiber rissen ihm die Fellhose vom Leib und rieben ihm stinkendes Fett über die krebsrote, Blasen werfende Haut.
    »Miesche Keale!«, schrie Chabilay zornig nach Abschluss der Behandlung und humpelte zu seinem alten Platz zurück. »Ia habsch mich reigelegd!«
    Tihms jämmerlicher Auftritt geriet bald wieder in Vergessenheit. Frauen kamen nun aus der Dunkelheit hervor, manche von ihnen vermummt, manche zur Gänze nackt.
    Schamerfüllt blickte Aruula beiseite, als die Weiber ihre Leiber obszön vor und zurück stießen, kreisen ließen und sich dabei mit ihren Zungen verlangend über die Lippen leckten. Der Tanz war eine mehr als eindeutige Aufforderung, und nur allzu rasch gingen die Mooken-Männer darauf ein. Sie gesellten sich zu den Frauen, tanzten mit ihnen, erwiderten die Gesten und Körperbewegungen mit ebenso ruckartiger Eindeutigkeit.
    »Interessant«, murmelte Yngve neben ihr.
    »Sag bloß, dich interessieren diese Weiber!«, brauste Aruula auf.
    »Keineswegs.« Der Noorwejer grinste dämlich, allmählich ebenfalls vom Alkohol gezeichnet. »Wie ich bereits sagte: Ich finde die hiesigen Sitten interessant. Wenn ich wieder in der Heimat bin, könnte ich meinen Landsleuten ein wenig über die Folklore der Mooken erzählen…«
    »Natürlich, mein Freund!«, unterbrach ihn Aruula mit Eiseskälte in der Stimme. »Die Mitglieder deiner Familie, besonders die weiblichen, freuen sich sicherlich über deine Berichte.«
    »Hm. Du hast Recht.« Yngve wirkte verlegen, und der scheinbare Schwips war augenblicklich verflogen.
    »Dort ist Chaang!«, lenkte Aruula auf ein anderes Thema. »Er scheint auch an der Feier teilzunehmen.«
    Ein lauter Gongschlag übertönte das wilde Treiben.
    Augenblicklich endeten die Tänze. Manche Pärchen zogen sich ins Halbdunkel zurück, andere marschierten grüppchenweise davon, die meisten jedoch hockten sich am Rand des Feuerscheins nieder und harrten so wie sie der Dinge, die da kommen sollten.
    Neuerlich wurde der Gong geschlagen.
    Ein feierlich gekleideter Mooken trat näher. Mit leiser, zittriger Stimme sagte er ein paar Worte und deutete schließlich auf jene Halbwüchsigen, die rund um Chaang standen.
    Schürhaken wurden gebracht, dazu Farbtöpfe, martialisch aussehende Werkzeuge, Stricke und mehrere Gefäße mit Getränken. Die Jugendlichen wurden gehalten und an den Fußgelenken eng gefesselt. Jüngere Frauen stellten sich vor sie, kreisten wiederholt ihre Becken und flößten ihnen kichernd große Mengen Alkohol ein.
    »Ein Schmerzritual!«, sagte Yngve betroffen. »Sie müssen ihren Mut beweisen. Siehst du das Nähwerkzeug und all die angeheizten Fischgräten? Die Messer und diese Schleifvorrichtungen? Diese armen Jungs müssen sich der Folter unterziehen, damit sie als Männer anerkannt werden.«
    Aruula schlug die Augen nieder, während die Zeremonienmeister in völliger Stille an ihre Arbeit gingen. Niemand sagte ein Wort. Alle bis auf die Barbarin starrten auf Chaang und die anderen Halbwüchsigen. Sie zitterten und litten – und gaben dennoch keinen Ton von sich.
    »Was sollen diese Grausamkeiten!«, murmelte die Barbarin und musste unwillkürlich an Moogan denken, die Geißel der Schimären.
    Moogan – Mooken… eine zufällige Namensähnlichkeit?
    Aruula hielt die Hände geballt, wollte aufspringen und das Zeremoniell unterbrechen. »Das hat doch nichts mit Mut zu tun…«
    »Bleib ganz ruhig.« Beruhigend legte ihr Yngve die Hand auf die Schulter. »Diese Bräuche sind sicherlich uralt und Bestandteil der Mooken-Kultur. Wir sollten uns unter keinen Umständen einmischen, wenn wir unsere Chancen zur erfolgreichen Flucht nicht mindern wollen.«
    Ja. Sie sollte es besser wissen. Was in ihrer Heimat als
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