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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse
Autoren: Michael M. Thurner
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hysterischer werdend, bis auch das Opfer ihres derben Spaßes in das Gegröle seiner Stammeskameraden einfiel.
    Aruula bleckte die Zähne und erwiderte die Schulterklopfer, die plötzlich von allen Seiten kamen. Sie hatten gewonnen.
    4.
    Sie nannten sich selbst Mooken; Menschen, die, so weit ihre Erinnerungen zurück reichten, immer auf selbst gezimmerten Booten und Schiffen gelebt hatten. Die Kinder wurden im Wasser zur Welt gebracht, von ihren Familien sorgsam behütet und im Alter von fünfzehn Jahren in das Erwachsensein entlassen. Sie lebten, liebten und starben auf den Schiffen, die sie Kabaangs nannten und die wie Familienmitglieder gehegt und gepflegt wurden.
    »Die Schiffe und wir sind eins«, sagte Chaang, der blutjunge Bursche, gut verständlich. »Sie sind Erbe, Ehre und Verpflichtung zugleich. Manche Kabaangs sind seit mehr als zehn Generationen im Besitz einer Familie.« Er entblößte sein strahlend weißes Gebiss. Lediglich die oberen Eckzähne waren so wie jene seiner älteren Stammesgenossen angespitzt und rot eingefärbt.
    Chaang war der Einzige, der Jaavong sprach; jenen Dialekt, den auch Chabilay Tihm verstand und der auf den meisten Inseln gepflegt wurde.
    »Erzähl mir mehr über eure Bräuche«, forderte Aruula den Burschen auf, während sie bittersüße Milch trank. Sie schmeckte gut und wirkte kräftigend.
    Chaang mochte dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein.
    Er trug einen lächerlich anmutenden Bastrock; im Gesicht wucherte stellenweise feiner Flaum. Sein Körper zeigte erst wenige Tätowierungen und rituelle Verwachsungen wie jene auf den Körpern der anderen Mooken. Er war weder Kind noch Erwachsener. Manchmal gickste seine Stimme, gleich darauf gab er sich stolz wie ein Krieger seines Stammes.
    »Angeblich liegt unsere ursprüngliche Heimat in der Richtung der Dunkelheit«, so sagte er, während er mit seinen geschickten Fingern die Schale eines feuerroten Krebses aufknackte. Dann deutete er nach Norden.
    »Irgendwann in der Düsteren Zeit kamen unsere Urahnen hierher, angeblich vertrieben von bösen Mächten und Göttern. Aber auch in den flachen Gewässern rund um die Großen Inseln wurden wir gehasst und gefürchtet. Viele Menschen verstanden nicht, warum wir auf den Kabaangs leben und uns weigern, an Land zu gehen. Man jagte und tötete uns, bis wir irgendwann hierher gelangten und Frieden fanden.« Er deutete unbestimmt in Richtung Sonnenuntergang.
    »Wo ist ›hierher‹?«, fragte Aruula nach.
    »Karimunjawa«, antwortete Chaang, während er den Saft aus einer Muschel schlürfte. »Die Heimat der siebenundzwanzig Inseln.«
    »Sind es große Inseln?« Aruula dachte pragmatisch.
    Nur dort, wo ausreichend viele Menschen lebten, bestand die Chance, ein geeignetes Schiff für ihre Weiterreise zu finden.
    »Nein.« Chaang rülpste bemüht. »Die größte lässt sich innerhalb von drei Tagen umsegeln, die kleineren innerhalb weniger Stunden.«
    »Wie kommen wir von hier wieder weg?« Aruula wusste, dass sie unfreundlich wirkte. Aber nun, da sie sich in Sicherheit wähnte, wuchs der Drang zur Weiterreise an.
    »Morgen bei Sonnenhöchststand redet ihr mit den Schiffsältesten«, wich Chaang aus. »Sie sagen euch, was passieren wird. Bis dahin sollt ihr mit uns feiern. Es ist immer ein besonderes Ereignis, wenn Menschen von außerhalb von Mutter Meer beschützt und uns Mooken in die Arme getrieben werden.«
    »Wir… danken euch«, sagte Aruula. Irgendwie fühlte sie sich unwohl in ihrer Haut. Sie spürte, dass hier etwas nicht so ablief, wie sie gehofft hatte. »Wie lange ist es her, dass ein ähnlich glückliches Ereignis die Mooken zum Tanzen und Feiern gebracht hat?«
    Chaang nahm Aruula den Behälter mit der Milch aus der Hand und nahm einen tiefen Schluck. Dabei ließ er die Blicke unverhüllt über Aruulas Brüste gleiten. »Es ist acht Jahre her«, gab er schließlich zur Antwort. »Damals haben sie mich und meine Schwester im Wasser treibend gefunden und in den Stamm aufgenommen. Ihr wirkt kräftig und schlau. Ich nehme also an, dass man euch morgen denselben Vorschlag machen wird: eine rituelle Tötung, die den Göttern viel Spaß machen soll – oder die Stammesmitgliedschaft.«
    ***
    Die Kabaangs waren aneinander gebunden worden; so stabil und fest wirkten sie nun, als bildeten sie einen einzigen großen Körper, der übers Wasser trieb.
    Nackte Kinder huschten lachend und kreischend über die Decks. Die Allerfrechsten von ihnen bewiesen Mut, indem sie hoch hüpften und Yngve
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