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1715 - Gewächs des Grauens

1715 - Gewächs des Grauens

Titel: 1715 - Gewächs des Grauens
Autoren: Jason Dark
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rechten Arm.
    »Zweiunddreißigtausend!«
    Die Zahl stand, und ich hatte den ersten Bieter nicht aus den Augen gelassen. Den Ausdruck auf seinem Gesicht sah ich nicht. Ich bekam allerdings mit, dass er leicht zusammenzuckte, aber er drehte sich nicht zu uns um.
    »Zweiunddreißigtausend sind geboten, meine Damen und Herren«, rief der Auktionator. »Ich erwarte weitere Angebote.«
    »Dreiunddreißigtausend«, sagte die Stimme des Mannes vor uns, und seine Stimme hörte sich leicht gepresst an.
    »Dann mache ich mal schnell ein Ende«, sagte Jane leise, um die nächste Summe lauter zu rufen.
    »Fünfunddreißigtausend!«
    Das war der Augenblick, in dem auch das leise Raunen der Menschen verstummte. Ich wollte nicht sagen, dass die Stille an unseren Nerven zerrte, aber ungewöhnlich war sie schon, und jetzt erlebten wir auch die Reaktion des Mitbieters. Die Sitzflächen der Stühle waren nicht besonders breit. Man hatte schon etwas Mühe, wenn man sich umdrehen wollte. Das war bei diesem Mann genau zu beobachten.
    Jane Collins hielt den Arm weiterhin erhoben, damit jeder sah, wer da geboten hatte.
    Auch der Mitbieter sah es.
    Und wir sahen ihn.
    In seinem runden Gesicht fiel besonders der dunkle, dichte Bart auf. Darüber wuchs eine kleine wulstige Nase, und die Augen konnten ebenfalls als klein bezeichnet werden. Vielleicht sogar mit einem tückischen Ausdruck versehen.
    Ich war so frei und grinste ihn frech an.
    Er zeigte keine Reaktion. Dann lenkte ihn auch die Stimme des Auktionators ab.
    »Es steht eine Summe von fünfunddreißigtausend Pfund im Raum. Wer von den Herrschaften bietet mehr?«
    Der Mann, der uns angestarrt hatte, drehte sich wieder um und stieß erneut seinen Arm in die Luft. Es war eine wütende Bewegung, begleitet von der neuen Summe.
    »Sechsunddreißigtausend!«
    Er hatte diesmal lauter gesprochen, und es hatte sich fast wie ein Abschluss angehört.
    »Sie haben gehört, dass sechsunddreißigtausend Pfund geboten wurden, meine Damen und Herren. Wer bietet mehr?«
    In den folgenden Sekunden tat sich nichts. Aber es war still im Raum geworden. Verstohlene Blicke richteten sich auf Jane Collins, die ihr Pokergesicht aufgesetzt hatte.
    »Eigentlich bist du an der Reihe«, murmelte ich, »oder ist dir die Summe zu hoch?«
    »Nein, das ist sie nicht. Ich will die Spannung noch etwas steigen lassen.«
    »Und dann?«
    Sie strahlte mich an. »Wirst du schon sehen.«
    »Okay, ich bin gespannt.«
    Der Auktionator tat seine Pflicht. »Sechsunddreißigtausend Pfund sind geboten. Sechsunddreißigtausend für diese wunderbare Ikone. Wer möchte mehr bieten?«
    Niemand meldete sich.
    Der Typ vor uns drehte sich wieder um. Innerhalb des Bartgestrüpps bewegte sich sein Mund. Wir sahen die feuchten Lippen, die wie zwei Schläuche glänzten.
    »Du wirst dich wundern«, flüsterte Jane, bevor sie honigsüß lächelte.
    Der Auktionator hob seinen Hammer. »Sechsunddreißigtausend Pfund zum Ersten«, sagte er kühl wie eine Hundeschnauze, als wäre die Summe ein Trinkgeld. »Noch haben Sie die Zeit, mehr zu bieten, meine Damen und Herren. Es steht die Zahl …«
    »Vierzigtausend!«
    Mitten in seinen Satz hinein hatte Jane Collins ihr neues Angebot gerufen und dafür gesorgt, dass die Besucher weiterhin atemlos still waren. Mit einer derartigen Erhöhung hatte niemand gerechnet. Diesen kleinen Schock mussten sie erst einmal verdauen.
    Besonders der Mitbieter war davon überrascht worden. Mit einer geschmeidig wirkenden Bewegung sprang er von seinem Stuhl hoch. Das Möbel kippte beinahe um, als er sich umdrehte und seinen Blick auf Jane richtete.
    Die lächelte nur cool.
    »Ich habe die Zahl von vierzigtausend Pfund gehört«, sagte der Auktionator. »Bietet jemand mehr?«
    Danach sah es nicht aus, und auch der Mitbieter schwieg. Er sank zurück auf seinen Stuhl, doch der letzte Blick, den er Jane zuwarf, war alles andere als freundlich. Ich glaubte sogar, eine Drohung darin zu erkennen.
    Es war still geworden, und das war wieder die Zeit des Auktionators. Er hob seinen Hammer an und sprach davon, dass die Summe stand. Danach fragte er nach einem weiteren Gebot, das nicht kam.
    Dann ging alles sehr schnell.
    »Zum Ersten, zum Zweiten und – vierzigtausend Pfund zum Dritten!«
    Ein Schlag mit dem Hammer beendete diesen Satz, und damit hatte Jane Collins die Ikone ersteigert …
    ***
    Der Schlag hatte noch ein leises Echo hinterlassen. Es löste sich schnell auf. Für einen Moment entstand eine dichte Stille. Auch der
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