Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo

170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo

Titel: 170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Autoren: Margo Maguire
Vom Netzwerk:
selbst erst in der Frühe offenbart worden war? Die Visionen hatten sie erschüttert. Eine blutrünstige keltische Horde war mit friedfertigen Engländern aneinandergeraten. Pferde wieherten voller Angst, und der Geruch von warmem, frischem Blut war ihr in die Nase gestiegen. Tödliche Wunden, große Trauer. Sie vermochte nicht zu sagen, wann der Vorfall sich zutragen würde, nur dass ein Gemetzel bevorstand, und zwar recht bald.
    „Sie sind nicht mehr weit entfernt, Mädchen“, sagte Tiarnan außer Atem, „und du weißt dies genauso gut wie ich. Wir sind schon zu lange an diesem Ort geblieben. Bald werden sie uns aufgespürt haben.“
    Rasch ging Keelin alles im Geiste durch, was es vor dem Aufbruch in dieser Hütte noch zu tun gab. Wie sollte sie es allein schaffen, ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, ein geeignetes Versteck für Ga Buidhe an Lamhaigh zu finden und gleichzeitig ihren gebrechlichen und kränkelnden Onkel fortzuschaffen, bevor Ruaircs Krieger auftauchten? Und wohin sollten sie dieses Mal fliehen? War jetzt vielleicht doch der Zeitpunkt gekommen, die Heimreise anzutreten?
    Als sie das letzte Mal geflohen waren, hatte Tiarnan noch etwas besser sehen können. Er hatte nicht so schrecklich alt und schwach gewirkt wie jetzt. Würde er die beschwerliche Reise bis an die Küste von Wales schaffen?
    Dann die Visionen … Etwas sehr Bedrohliches ,da war Keelin sich ganz sicher, hing über der kleinen Burg ihres Vaters in Carrauntoohil. Ihr Verlangen, so rasch wie möglich nach Hause zurückzukehren, war schon längst kein gewöhnliches Heimweh mehr. Eine düstere Vorahnung hatte sich in ihre Gedanken geschlichen und würde nicht von ihr ablassen, bis sie die Heilige Lanze wieder zu ihrem Clan gebracht und selbst gesehen hatte, wie es um die Heimat stand.
    „Höre mir zu, meine liebe Keelin“, kam es beruhigend von Tiarnan, als er spürte, dass seine Nichte sich in ihre Furcht hineinsteigerte. Sie war noch jung, gerade mal neunzehn Jahre alt, und obgleich ihr zweites Gesicht in Tiarnans Augen eine seltene Gabe war, wusste er, was für eine Bürde auf ihren Schultern lastete. Auch wenn sie stets versuchte, ihre Erschöpfung vor ihm zu verheimlichen, entging ihm nicht, dass die Visionen sie schwächten und auslaugten. „Du musst Ga Buidhe an Lamhaigh von hier fortschaffen, bevor …“
    „Nein, Onkel“, rief Keelin erschrocken aus. „Ich werde Euch nicht hier zurücklassen.“
    „Keelin …“
    „Die Krieger haben uns bisher nie gefunden. Ich werde diesen Ort nicht ohne Euch verlassen. Wir können rasch aufbrechen“, fügte sie schnell hinzu, „und Ihr könnt Euch in dem Karren ausruhen.“
    „Keely“, antwortete Tiarnan und schloss erschöpft die Augen. Es tat ihm in der Seele weh, dass er das Mädchen allein auf die weite Reise schicken musste, aber es gab keinen Ausweg, und all seine unzähligen Gebete an die Heilige Jungfrau oder andere Heilige vermochten nicht, ihm in diesen Stunden zu helfen. Er verspürte furchtbare Schmerzen in seiner Brust, und der Husten … er würde ihn sicherlich über kurz oder lang umbringen.
    In Keelins klaren, grünen Augen schimmerten Tränen. Sie nahm die Hände ihres Onkels und führte sie an die Wange. „Ich bringe uns an einen anderen Ort, einen sicheren Platz, wo wir …“
    „Verstehst du nicht, Liebes?“, sagte Tiarnan mit schwacher Stimme, und er fühlte, wie ihre Tränen seine Hände benetzten. „Ich bin zu schwach, um aufzubrechen, aber du musst fort von hier, bevor es zu spät ist.“
    „Nein, Onkel!“, rief sie. „Wir haben noch etwas Zeit.“
    „Keelin“, hob Tiarnan erneut an, „selbst wenn wir noch Zeit hätten, wäre ich alter hinfälliger Mann auf dem weiten Weg nur eine Last für dich. Fang jetzt an, deine Sachen zu packen und …“
    Er hielt inne und lauschte.
    „Was ist?“, fragte Keelin erschrocken, als sie sah, dass ihr Onkel ein fernes Geräusch wahrzunehmen schien, das sie selbst noch nicht hören konnte.
    „Es kommt jemand“, entgegnete der alte Mann. „Pferde … Männer zu Fuß.“
    „Oh, bei allen Heiligen!“ Sie sprang von ihrem Schemel auf. „Wie konnte ich mich bloß so irren? Sie sind schon hier? Jetzt? “
    „Ich glaube nicht, dass sie es sind, Liebes.“ Tiarnans Stimme klang ruhig und gefasst, ein Vorteil, den das Alter mit sich brachte. „Aber im Augenblick haben wir keine andere Wahl als abzuwarten.“
    Keelin schluckte hart. Stets waren sie der Horde der Mageeans um Längen voraus gewesen. Nie hatte sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher