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1667 - Die Früchte des Wissens

Titel: 1667 - Die Früchte des Wissens
Autoren: Unbekannt
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Rand, dem Urwald sehr nahe.
    Und daneben stand der Turm.
    Oder das jedenfalls, was einmal ein Turm werden sollte. Das Gebilde setzte sich zusammen aus einer Unzahl verschiedenster Baumfragmente: aus bearbeitetem Holz und Rinden, aus Gesteinsfundamenten, denen nicht zu trauen war, und aus Eisenbeschlägen, die Niisu in solcher Menge nie vorher gesehen hatte. Mitten im Gerüst hingen Plattformen aus Holz. Dort schnitzten und hämmerten Trepecco-Nomaden zu Hunderten an Balken oder Trägern herum. Jede der Etagen war etwa drei Meter hoch und bestand aus einer Unmasse Material, von dem Niisu zu gern gewußt hätte, woher es stammte. Niemand schenkte ihm Beachtung. Unschlüssig stand er lange Zeit da.
    Mehrmals liefen andere Nomaden nahe an ihm vorbei - und beklagten sich, er stünde im Weg. Niisu hatte sich lange nicht so verlassen gefühlt. In einer Gruppe unterwegs zu sein, allein oder gar inmitten dieser Menge war jeweils etwas ganz anderes. Am Rand dieses Riesenbetriebes war er nicht mehr als ein Störenfried, der seinen Platz noch nicht gefunden hatte.
    Schließlich folgte er dein Klang der Trommeln.
    Sie waren der Wegweiser.
    Aus der ganzen Umgebung reisten Nomaden an, und die Trommeln dienten dazu, sie alle ans Ziel zu leiten. Im Land Zuun war das besonders wichtig, weil man mit etwas Pech wochenlang durch den Urwald irren konnte. Die Trommeln standen am Rand der Lichtung. Drei Läufer schlugen mit Holzklöppeln gegen ausgehöhlte Baumstümpfe.
    Besonders zähe Blättersorten verschlossen die Enden.
    Auf dem Rücken eines Läufers hockte mit verschränkten Beinen eine Frau. Es war die erste, die er seit Cahlies Tod zu Gesicht bekam. Ihr verschrumpelter Schädel war ein Sinnbild der Weisheit, ihr kurzer Rumpf ein Symbol der Verdauung, wie ein Mann sie niemals haben würde.
    Er trat nahe an die beiden heran. „Mein Name ist Niisu", sagte er. „Ich wurde von meinem Stamm getrennt. Aber ich habe mich auf eigene Faust bis hierher durchgeschlagen."
    Die Andeutung eines Lächelns huschte über das Gesicht der Frau. „Niisu ist dein Name. So. Ich will, daß du mir den Rücken zudrehst."
    Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Wie?"
    „Dreh dich um!"
    Diesmal klang ihre Stimme ungehalten, also drehte er sich um, bevor sie wütend wurde. „Bist du zufrieden?" In seinem Rücken spürte er ihren beißenden Blick. „Du hast eine Wunde an deinem Nacken."
    „Hoo! Darum geht es also! Ich habe eine Frau getragen. Sie wurde getötet, als uns im Land Boor ein Unwetter überraschte."
    „Was ist mit deinem Stamm?"
    „Ich rechne damit, daß sie alle irgendwo hier sind."
    „Es hat ein Unglück gegeben. Vor vier Tagen. Vielleicht sind sie tot. Die Neuankömmlinge waren alle in derselben Gruppe."
    „Dann suche ich mir einen neuen Stamm."
    Die Frau auf dem Rücken ihres Läufers zögerte lange. „Nun gut, Niisu ... Mein Name ist Jacuut. Ich möchte wissen, ob in dir das Feuer brennt."
    „Es brennt in mir. Gib mir Werkzeuge und eine Aufgabe, und ich arbeite bis zur Erschöpfung."
    „Ich sehe dir an, daß in dir noch ein Hintergedanke ist."
    „Nein", log er, „das ist nicht wahr."
    „Wir werden sehen ... Folge mir, ich weise dich ein. Der Turm wächst so langsam, daß wir jeden Helfer brauchen."
    Jacuut und ihr Läufer verschafften ihm Wasser und eine Mahlzeit. In seinem Denken arbeitete es: Vollständig gelogen hatte er nicht, denn sein einziges Ziel bestand im Augenblick darin, diesen Turm wachsen zu sehen. Er träumte, auf dem Gipfel seiner Welt zu stehen, an den Horizont zu schauen und das Jenseits-Land zu erblicken, von dem er so oft gehört hatte.
    Aber am Anfang stand die Arbeit. Seine Aufgabe war es, neues Material heranzuschaffen. So fand er wenig Gelegenheit, nach seinem Stamm Ausschau zu halten. Zwei Frauen übernahmen den Trupp. Mit hundert Trepeccos drangen sie in den Waldrand vor. Sie suchten sich den größten Urwaldriesen und brachten zwei Stunden dabei zu, mit einer spitzen Eisenstange Löcher in den Stamm zu bohren. Der Riese wehrte sich nicht. Jemand besorgte dünnflüssigen Pflanzensaft, der ähnlich roch wie das Gift der Blaticcs. Durch die Löcher träufelten sie den Saft, warteten eine Stunde ab - und fingen an, den Stamm abzuholzen. Die anderen sagten ihm, der Saft habe den Riesen getötet. Vor den Lianen und sonstigen Parasiten nahmen sie sich in acht, doch der Baum selbst war völlig ungefährlich.
    Niisu gehörte zur Gruppe jener Trepeccos, die ihn endgültig zu Fall brachten. Mit unglaublichem
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