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166 - Sohn dreier Welten

166 - Sohn dreier Welten

Titel: 166 - Sohn dreier Welten
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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er.
    »Warum?«
    (Dein Verhalten hat sich geändert. Ich will sehen, ob die nächste Phase beginnt.) Grao'sil'aana prüfte Duu'das Fingerkuppen sehr gründlich. Doch sie waren so rosig und zart wie immer. Keine Notwendigkeit also, einen sicheren Ort aufzusuchen. (Komm jetzt! Wir gehen weiter!)
    »Ich will nicht.« Duu'da setzte sich ins Gras am Wegesrand.
    Er zeigte irgendwo hin. »Es ist langweilig hier! Die Käfer sind blöd!«
    (Du sollst auch keine Insekten töten, sondern Primärrassenvertreter studieren!)
    »Aber es sind ja keine da!«, rief Duu'da, verschränkte die Arme und wackelte trotzig mit den Füßen.
    (Deshalb gehen wir jetzt weiter!) Grao'sil'aana beugte sich zu dem Jungen vor und zog ihn hoch. Der Daa'mure blieb genauso stur bei seiner mentalen Kommunikation wie Duu'da bei seinem Geschrei.
    »Ich will nicht! Lass mich los! Auaaa! Du tust mir weh!«
    Grao'sil'aana ließ tatsächlich los. Seine kalten Augen zeigten keine Regung, als der Junge davon rannte und an einer Wegbiegung hinter den Felsen verschwand. Aber seine Zähne knirschten.
    Duu'da hielt den Atem an. Die Welt konnte so anders aussehen, wenn man nur ein Mal vom Weg abbog! In der Ferne glitzerte ein Fluss. Davor erstreckten sich endlose Felder.
    Zwischen ihnen lag ein Dorf; lauter kleine Gebäude mit roten Dächern. Hier vorne aber – nur ein paar Schritte von Duu'da entfernt, stand eine düstere Hütte im Felsen versteck. Zwei Primärrassenvertreter hockten am Eingang. Beide, der Mann und die Frau, hielten ein Messer in der Hand.
    (Grao'sil'aana! Was soll ich tun?)
    (Wirst du bedroht?)
    (Nein, sie legen die Waffen auf den Boden. Ich… ich glaube, sie wollten eine Wisaau zerteilen.) (Dann studiere ihr Verhalten! Ich bleibe außer Sicht.) Irgendwo außer Sicht sank Grao'sil'aana ins sonnige Gras.
    Es war gegen seine Befehle und sehr angenehm.
    (Was soll ich den Leuten denn sagen?), fragte Duu'da gehetzt.
    (Erzähle ihnen, dass deine Eltern gestorben sind. Es hemmt ihre Aggressionsbereitschaft, besonders die des weiblichen Objektes.)
    (Aber das entspricht nicht den Tatsachen, Grao'sil'aana!) Der Daa'mure blieb reglos liegen. Er hob nur sein Echsengesicht noch ein wenig mehr der heißen Junisonne entgegen. Grao'sil'aana genoss den Moment, hatte keine Lust auf weitere Diskussionen – und beging einen folgenschweren Fehler. Er sagte dem Jungen: (Manchmal ist es zweckdienlich, eine Auskunft zu geben, die nicht den Fakten entspricht.
    Primärrassenvertreter nennen das eine Lüge. Lügen ist gängige Praxis in ihrem Zusammenleben und dient der Vorteilsbeschaffung. Versuche es auch einmal! Sol'daa'muran sei mit dir!)
    (Und wenn mir nichts einfällt? Grao'sil'aana?) Es kam keine Antwort. Dafür stand die Frau auf und reckte neugierig den Hals.
    »Grao'sil'aana!«, rief Duu'da verzweifelt, als sie näher kam.
    Sie war schwarzhaarig und hager, trug nichts weiter als ein Ledertuch um die Mitte und hatte ihren Körper mit fahlbrauner Farbe eingerieben. Kreuz und quer waren schwarze Striche darauf, auch im Gesicht. Es sah unheimlich aus. Die Frau lächelte Duu'da an.
    »Du brauchst keine Angst zu haben, mein Kleiner!« Sie klatschte in die Hände. »So ein Hübscher! Und so zart! Wie alt bist du denn?«
    »Zwei«, sagte Duu'da und verbesserte sich hastig: »Fünf.«
    »Fünf!«, rief die Frau. Sie musterte ihn aus kalten grünen Augen, wie eine Beute, und fragte: »Wo sind denn deine Eltern?«
    Duu'da war erstaunt, dass Grao'sil'aana genau diese Frage vorhergesehen hatte. Was war an ihr so besonders? Und warum sollte man sie mit einer Lüge beantworten? War es nicht besser, wegzulaufen? Diese Primärrassenvertreter waren sicher gefährlich!
    Duu'da schluckte die Enge aus seinem Hals und sagte:
    »Meine Eltern sind tot.«
    »Ach!«, rief die Frau, und Duu'das Augen wurden groß. Sie hatte aufgehört zu lächeln und zog das gleiche Gesicht wie Ann, wenn sie davon erzählte, wie sehr sie ihren Vater vermisste. Aber wie konnte das sein? Die Frau kannte doch Duu'das Eltern gar nicht!
    Sie wandte sich an ihren Mann. »Der arme Kleine, Tervel! Was denkst du: Können wir ihn behalten?«
    Tervel schnaubte. »Der ist nicht vom Himmel gefallen, Möss'ha! Er kam vom Grenzpfad – schau lieber nach, wer da noch rumläuft! Vielleicht ist Beute im Anmarsch!«
    Möss'ha gehorchte. Als sie ein Stück die Felsen hoch kletterte und dort reglos stehen blieb, zeigte sich der Sinn ihrer Körperbemalung: Die Frau verschmolz mit dem rissigen, fahlen Gestein, bis man sie kaum
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