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1638 - Leichenspur des Künstlers

1638 - Leichenspur des Künstlers

Titel: 1638 - Leichenspur des Künstlers
Autoren: Jason Dark
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Nacht war hier tote Hose.
    Einige Kilometer weiter war das nicht der Fall. Da lag der bekannte Moselort Bernkastel-Kues, und da ging die Post ab, auch in lauen Sommernächten wie dieser.
    Sie konnte nichts tun, sie zitterte, und sie stellte sich zum wiederholten Mal die Frage, wie sie überhaupt in diese Lage geraten war.
    Die Erinnerung setzte irgendwann aus. Iris Gerwin arbeitete in Kues in einem Restaurant als Bedienung. Wie immer war der Laden proppenvoll gewesen. Da hätte kein Blatt Papier zwischen die Besucher gepasst.
    Die Arbeit war ein Knochenjob. Iris wusste nicht genau, wie viele Kilometer sie an Tagen wie dem letzten zurücklegte. Einige waren es schon. Hinzu kam die Schlepperei, denn auf die großen Tabletts wurden oft mehrere Gerichte gestellt.
    Gut bezahlt wurde die Arbeit auch nicht. Ihr Chef hatte sie mit dem Trinkgeld der Gäste geködert, doch in Zeiten der Krise war auch das weniger geworden.
    Zwei Jahre machte Iris diese Arbeit schon, und sie glaubte nicht daran, dass sie sie noch zwei weitere Jahre durchhalten würde. Trotz ihrer dreißig Jahre fühlte sie sich manchmal wie eine alte Frau.
    So war es auch an diesem Abend gewesen.
    Kurz vor Mitternacht hatte sie Schluss machen können. Das Aufräumen und Putzen würden andere Mitarbeiter übernehmen. Mit müden Beinen war sie aus dem Haus geschlichen, um zu ihrer Wohnung zu gehen, die nicht weit von ihrer Arbeitsstelle entfernt lag.
    Um abzukürzen, nahm sie eine kleine Gasse, die von den meisten Touristen übersehen wurde.
    Nicht in dieser Nacht.
    Genau in der Mitte der Gasse hatte es sie erwischt. Dort hatte ein Schatten auf sie gelauert, und dieser Schatten hatte sich schließlich als ein Mensch entpuppt.
    Als ein Mann, der sie von hinten angefallen hatte wie ein wildes Tier. Sie hatte nur seine Stimme gehört und nicht verstanden, was er in diesem Augenblick sagte. Sie war brutal nach hinten gezerrt worden und hatte nicht mal einen Schrei ausstoßen können, weil Sekunden später etwas auf ihren Mund gepresst wurde, das einen bestimmten Geruch abgab, den sie in der Praxis allerdings noch nie gerochen hatte.
    Chloroform!
    Sie hatte das penetrant riechende Gas eingeatmet, dann war es innerhalb weniger Sekunden vorbei gewesen. Gefesselt und mit einem Knebel versehen war sie halb im kalten Wasser liegend erwacht und wartete darauf, dass etwas geschehen würde.
    Aber was?
    Angst war so stark in ihr, dass ihr ein normales Denken nicht möglich war. Sie hatte von Beginn an das Gefühl gehabt, nicht mehr sie selbst zu sein. Alles war schlagartig anders geworden. Sie war Mittelpunkt einer Szene, die sie bisher nur in Filmen gesehen hatte. Nie hätte sie daran gedacht, dass auch ihr so etwas passieren konnte. Und das in einer Umgebung, die von Touristen aus aller Welt überschwemmt wurde.
    Davon war nichts zu sehen. Iris Gerwin war von einer Einsamkeit umgeben, die ihr einen zweiten Schock versetzte. Sie war zudem nicht in der Lage, nach Hilfe zu rufen. Wenn sie sich bemerkbar machen wollte, dann drangen aus ihrem Mund nur dumpfe Laute, das war alles. Und die hörte niemand.
    Ihre Augen konnte sie bewegen. Die Fesseln waren nicht zu lockern, die Versuche hatte sie bereits aufgegeben, aber wenn sie mal nach rechts und dann wieder nach links schielte, dann sah sie die Schatten der Büsche, die den viereckigen Teich umgaben. Und sie entdeckte sogar eine der Bänke, die aussahen wie hölzerne Liegestühle, tagsüber oft belegt waren, doch in der Nacht ließ sich hier niemand blicken.
    Die gesamte Umgebung war wie tot. Nur hin und wieder hörte sie ein leises Plätschern, wenn irgendein Tier ins Wasser gesprungen war.
    Andere Geräusche gab es kaum, da auch der Wind so gut wie eingeschlafen war. Nur von der nahen Mosel wehte ab und zu ein kühler Hauch in ihre Richtung. Er war aber zu schwach, um die Blätter an den Büschen rascheln zu lassen.
    Was hatte man mit ihr vor?
    Diese eine Frage beschäftigte sie. Und Iris machte sich keine Illusionen.
    Wer einen Menschen in eine derart extreme Lage brachte, der würde sich nicht damit zufriedengeben, der hatte noch etwas anderes vor, das stand für sie fest.
    Es war schlimm, aber sie hatte nicht anders gekonnt und sich nicht dagegen gewehrt.
    Iris Gerwin hatte sich seit dem Überfall auch mit dem Tod beschäftigt.
    Dass sie einem verrückten Killer in die Hände gefallen war, der mit ihr etwas Schreckliches anstellen würde, um sie dann zu ermorden.
    Die Vorstellung hatte eine Welle der Panik in ihr aufsteigen
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