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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist
Autoren: Mary Gentle
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als Mund diente, ließ mich dann doch laut auflachen.
    »Ihr müsst einen Mord für uns begehen, Monsieur«, sagte er schlicht.
    Was für ein Schwachsinn. »Madame …«, begann ich.
    »Nicht ›Madame‹.« Sie sprach mit einem Flüstern und ohne die Kapuze zu heben, die wohl verhindern sollte, dass ich sie erkannte. »Dies sind die Befehle meiner Herren. Ich bin nur eine arme Dienerin, die sie Euch übermittelt.«
    Ich hatte schon bessere schauspielerische Leistungen bewundern dürfen.
    »Ein Mord?« Ich gestattete mir die unerwartete Freude, einer Majestät gegenüber ehrlich zu sein. »Im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre, Madame«, bemerkte ich, »habe ich schon so manche armselig durchdachte Verschwörung gesehen. Ich soll einen Mann ermorden? Und dem Herzog wird man die Schuld dafür in die Schuhe schieben, nehme ich an.«
    Auf einen Wink von ihr verschwanden ihr Mund und die Bewaffneten außer Hörweite. Sie hatte mich nicht gebeten, mich zu setzen, und so verschränkte ich die Arme vor der Brust und blickte auf sie hinunter – ich bin ohnehin fast immer der größte Mann im Raum, und diese Frau wirkte geradezu winzig im Vergleich zu mir.
    Ihre vollen Lippen bewegten sich unter der Kapuze. »Seid still, und hört zu. Ihr seid Rochefort, nicht de Rochefort. Ihr seid kein Edelmann. Ihr seid ein Duellant und bekannter Mörder. Ihr verfügt über keinerlei eigene Macht, nur über die, die Euch als Sullys Agent gegeben ist. Ihr habt Euch in seinen Diensten so viele Feinde gemacht, dass zu bezweifeln steht, dass Ihr diese Stadt lebend verlassen werdet, sollte er zu Fall kommen. Wen habt Ihr außer ihm?«
    Das trübe Licht im Raum war ein Segen. Ich war nicht sicher, ob ich meine Wut gut genug im Zaum halten konnte, um sie zu verbergen.
    Während ich darüber nachdachte, wie ich wieder von hier verschwinden könnte, sagte ich leichthin: »Die Chance ist allerdings noch viel geringer, dass Ihr mich bestechen oder so unter Druck setzen könntet, dass ich gegen seine Interessen handeln würde.«
    Ihre aufgesetzte Dummheit – was an einem von Männern dominierten Hof wohl dem Schutz diente – wich List. »Nein, und es ist nicht Sully, dem Ihr Schaden zufügen werdet. Es ist Heinrich von Navarra. Ihr müsst Heinrich töten.«
    Jetzt hatte sie mich wirklich überrascht. »Heinrich von Navarra? Heinrich IV.? Den König?«
    Sie ließ mir keine Zeit, meine Gedanken zu ordnen. Die Hände, mit denen sie ihren Mantel zusammenhielt, bewegten sich nun; sie zählte die einzelnen Punkte an den Knöpfen ab. »Ihr seid Sullys Spion. Es ist Eure Aufgabe, für seine Sicherheit zu sorgen, und da er dem König am nächsten steht, müsst Ihr auch wissen, wenn jemand Heinrich bedroht. Wir versuchen nicht, Euch zu bestechen – Ihr führt kein ausschweifendes Leben, habt keine teure Geliebte, keine Familie, bekannte Bastarde oder Spielschulden. Ihr gehört nicht zum Adel. Alles, was Ihr habt, ist Eure Machtposition, und die werden wir Euch nehmen, solltet Ihr nicht tun, was wir Euch befehlen.«
    Ich verlieh meiner Stimme einen ironischen Unterton. »Und dafür soll ich den König töten? Wer ist denn des Herzogs Freund und Gönner? Was für eine Art, mich um ihn verdient zu machen!«
    Nichts von alldem hier musste ich ernst nehmen, beschloss ich für mich. Allerdings sollte ich den Herzog warnen, dass Königin Maria vor lauter Aufregung ob ihres neuen Titels recht unberechenbar geworden war … Vielleicht hatte ein Provokateur der Spanier ihr diese Idee ins Ohr geflüstert, ein Hugenotte oder ein Jesuit. Ich sollte dem Herzog mitteilen, dass er von nun an alle Gerüchte ernst nehmen musste, die besagten, Maria di Medici wolle ihren Gatten tot sehen.
    In ihrem schlecht geschauspielerten Flüsterton sagte Maria di Medici: »Ihr müsst von Verschwörungen gegen den König wissen, und …«
    »Es gibt immer Verschwörungen gegen König Heinrich«, erwiderte ich und gönnte mir die Freude, die Königin von Frankreich zu unterbrechen, da sie ja verkleidet gekommen war und daher kaum protestieren konnte. »Wenn ich mich recht entsinne, hat es im Laufe der Jahre dreiundsechzig Attentatsversuche gegen ihn gegeben. Oder waren es fünfundsechzig?«
    »Und auch jetzt werden solche Pläne geschmiedet, und einer davon muss gelingen. Morgen, Rochefort. Es muss morgen geschehen.«
    Ich wusste in der Tat von zwei, vielleicht drei Verschwörungen, die kurz vor der Vollendung standen – das war nichts Ungewöhnliches. Heinrich hatte sich fast
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