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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist
Autoren: Mary Gentle
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Akzent. »Keine Botschaften mehr. Tut, was man Euch sagt.«
    Ich drückte dem Jungen zwei weitere Livres in die Hand und schickte ihn humpelnd fort. Dann stapfte ich nach oben, trat Gabriel aus dem Bett und befahl ihm, mir Wein warm zu machen, bevor ich mich mit verzogenem Gesicht im Schein einer einzelnen Kerze an den Tisch setzte.
    Manchmal kann der Listige nur über den Dummen staunen. Allein der Versuch, den obersten Agenten ihres Feindes umzudrehen, und dann auch noch persönlich … Diese Dummheit! Sollte sie von einem der Feinde des Königs manipuliert werden und sich auch noch Beweise dafür finden lassen, dann gäbe es einen Skandal, der sogar Spanien zufrieden stellen würde.
    Aber sie könnte es schlicht leugnen, wohlwissend, dass das Schlimmste, was einer Königin widerfahren kann, die Verbannung in ein Château auf dem Land ist und das auch nur für ein, zwei Jahre.
    Und sollte es ihr gelingen, mich umzudrehen, was hätte sie davon? Einen toten Ehemann, gut, dann wäre sie die Regentin für ihren kleinen Sohn Ludwig. Ansonsten wäre noch Sully kompromittiert, weil sein Mann versucht hätte, den König zu ermorden. Auch gut: einer ihrer mächtigsten Feinde – weg. Sie musste glauben, nicht verlieren zu können.
    Aber sie wird scheitern. Zu dem Schluss kam ich in den frühen Morgenstunden – womit wir wieder bei der Dämmerung wären und bei Gabriel, der sich von meinem Schlag erholt.
    Weil ich dafür gesorgt habe. Ich hatte nicht die geringste Absicht, König Heinrich zu ermorden! Diese Verschwörung würde genauso scheitern wie die über sechzig anderen. Und wenn das geschah, würde ich Sully in der darauffolgenden Verwirrung warnen können, dass die Medici einen Spion in seinen Haushalt eingeschleust hatten.
    Etwas in mir beharrte noch immer darauf, dass Gabriel Santon irgendwie in Sicherheit gebracht werden musste.
    Sollte man mich sehen, verhaften oder – was Gott verhüten möge! – erwischen, wie ich gerade ein Attentat vorbereitete, würde man meinen Diener einem Verhör unterziehen.
    Ich packte Gabriel Santon im Nacken, zog ihn hoch, zerrte ihn zur Tür und warf ihn hinaus.
    »Messire!«, protestierte er, keuchte und lachte und achtete nicht auf das Blut, das ihm aus der Nase rann. »Messire Valentin! Das war keine Frechheit. Nicht dem Herzog gegenüber. Ich habe es doch nicht so gemeint. Setzt Euch. Ich werde Euch Frühstück bringen.«
    Gabriel war ein stämmiger Mann, stämmig und stark, auch wenn er die Fünfzig schon überschritten hatte, und es rührte mich unerwartet, dass ich ihn so einfach hatte hinauswerfen können. Ich schob den Riegel der Außentür zurück, warf sie auf und stieß ihn mit aller Kraft hinaus. Er prallte von der gegenüberliegenden Wand ab, stolperte über eine Stufe und fiel wie ein Sack Mehl hinunter.
    Ich bewahrte ein ernstes Gesicht, während mein Körper bei jedem Schlag erbebte, und als Gabriel sich am Fuße der Treppe zitternd auf alle viere aufrichtete, schrie ich: »Du bist entlassen, du diebischer, fauler Hurensohn!«
    »Aber, Monsieur Valentin!«
    »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Du bist entlassen!«
    Ich sah den Augenblick, in dem er meinen Worten glaubte.
    »Herr! Monsieur, Monsieur Rochefort!« Eine Pause. »Meine Sachen! Herr! Meine Sachen …«, bellte Gabriel Santon. »Das könnt Ihr nicht tun! Das ist … Das ist Diebstahl! Das sind meine Sachen! Herr, Ihr könnt nicht …«
    »Verschwinde aus meiner Straße, Santon! Wenn du noch ein Wort sagst, ziehe ich mein Schwert!«
    Ich schlug die Tür zu, sodass die Beobachter auf der anderen Straßenseite keinen Zweifel an meinen Gefühlen hegten.
    Ich brauchte nur wenige Minuten, um mich vorzubereiten. Ich packte das Nötigste in einen Lederbeutel und steckte das Geld, das ich unter einem Bodenbrett verborgen hatte, in einen Gürtel, den ich mir unter dem Hosenband um die Hüfte schlang.
    Den Lederbeutel wiederum band ich an den Gürtel, ließ ihn aber in meiner Hose verschwinden – im Jahre 1610 trug man die Hosen weit, sehr weit sogar, und an den Knien gebunden. Zwar hatte ich nicht wie andere, die panische Angst vor Dieben hatten, die Angewohnheit, nahezu alles in meiner Hose zu verbergen – einschließlich der Perücke –; aber sie bot mir genügend Platz, um mehrere kleine Gegenstände und auch eine Pistole darin zu verstecken und immer noch wie ein Edelmann beim Morgenspaziergang auszusehen.
    Ein Morgenspaziergang zur Ermordung des Königs.
    Ich schaute mich noch einmal in
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