Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Sachen ausbügelt und wahrscheinlich verbrennt, will ich das Hosenbein kurieren. Sage mir doch einmal, du Künstler der Nähnadel, ob du denn wirklich Schneider bist!“
    Der Mann kratzte sich hinter dem Ohr, drückte und drückte und ließ endlich die Antwort hören:
    „Effendi, eigentlich nicht.“
    „So! Was bist du denn eigentlich?“
    „Ein Dürger doghramadschy (Tischler).“
    „Wie aber kommst du auf den kühnen Gedanken, dich für einen Schneider auszugeben?“
    „Weil ich zwei Bügeleisen habe.“
    „Von wem?“
    „Von meinem Großvater, welcher ein wirklicher Schneider war. Es ist das einzige, was ich von ihm geerbt habe. Nun habe ich mir noch Nadel und Zwirn gekauft, und wenn es Gelegenheit gibt, so bessere ich den Leuten die Kleider aus, weil ich jetzt als Tischler keine Arbeit habe. Darum bin ich auch hier bei dem Bau der Bahn beschäftigt.“
    „So bist du ja ein sehr vielseitiger Mann. Also du besserst Kleider aus! Wohl auch in der Art und Weise, wie du es bei dieser meiner Hose getan hast?“
    „Nein, Effendi! Das war nur ein Versehen.“
    „Also zwei Bügeleisen hast du wirklich? Kannst du bügeln?“
    „O, ausgezeichnet!“
    „Nun, so wollen wir uns miteinander an die Arbeit machen. Aber sieh, was ist denn das?“
    Ich zog die von ihm angefertigte Naht auseinander und zeigte sie ihm. Er wußte aber nicht, was ich meinte, und blickte mich fragend an.
    „Wie sieht denn der Stoff aus?“
    „Dunkelblau, Herr.“
    „Und welche Farbe hat der Zwirn, den du genommen hast?“
    „Er ist weiß.“
    „Das sieht ja schrecklich aus. Hast du denn keinen dunklen Zwirn, vielleicht schwarzen?“
    „Genug!“
    „Warum hast du keinen solchen genommen?“
    „Der weiße ist noch einmal so stark als der schwarze; darum dachte ich, er werde besser halten, so daß der Riß nicht wieder aufgeht, wenn du vielleicht wieder einmal in den Kleidern schwimmen mußt.“
    „Du bist ein sehr vorsorglicher Mensch, wie ich sehe. Ich aber werde mir erlauben, schwarzen Zwirn zu nehmen. Also komm herein!“
    „Soll ich mithelfen, Sihdi?“ fragte Halef.
    „Ja, du kannst die Hose halten, während ich die Stiche mache.“
    Die Hütte war leer, da sich die Leute jetzt an der Arbeit befanden. Ich setzte mich mit Halef und dem Beinkleid auf ein Brett. Wir erhielten Nadel und Zwirn; anstatt der Schere hatten wir unsere Messer, und so konnten wir die Arbeit beginnen. Ich hatte mir als Schüler manchen Knopf angesetzt und zuweilen auch einen kleinen Riß geheilt; ich wußte so leidlich den Unterschied zwischen Hinter- und andern Stichen; darum begann ich das große Werk mit vielem Selbstvertrauen. Unterdessen arbeitete der Tischler-Schneider am Ofen herum und warf Holzscheite hinein, als ob er einen Stier hätte braten wollen. Die Kacheln strömten eine Wärme aus, welche mich an die schönen Tage der Sahara gemahnte. Meine Kleider waren trocken; sie brauchten nur noch gebügelt zu werden.
    Der Künstler nahm zunächst die Weste her, legte sie auf ein Brett und holte mit einer Zange das Bügeleisen aus der Feuerung. Es war hochrot; der Holzgriff war verbrannt. Der Mann sah vom Bügeleisen auf mich und von mir auf das Bügeleisen und kratzte sich dabei abermals sehr nachdrücklich den Hinterkopf.
    „Was willst du denn?“ fragte ich ihn.
    „Eine Frage, Herr. Was soll ich nun machen?“
    „Bügeln!“
    „Aber wie?“
    „Wie immer. Du kannst es ja ausgezeichnet.“
    „Hm! Das ist eine sehr verwickelte Geschichte.“
    „Wieso?“
    „Bügle ich jetzt, so ist das Eisen glühend, und ich verbrenne den Jelek (Weste). Warte ich, bis das Eisen kalt ist, so verbrenne ich ihn nicht, aber das Eisen bügelt auch nicht. Kannst du mir vielleicht einen Rat geben? Ich habe gehört, daß du ein weit gereister Effendi bist; vielleicht hast du einmal bei einem Schneider zugesehen, wie er es macht.“
    „Höre, ich habe deinen Großvater in einem sehr schlimmen Verdacht.“
    „Tue das nicht, ich bitte dich! Mein Großvater – Allah schaue auf ihn im Paradiese – war ein frommer Moslem und ein braver Untertan des Padischah.“
    „Das mag sein; aber ein Schneider ist er nicht gewesen.“
    Jetzt erhob der Künstler auch den anderen Arm, um sich mit beiden Händen kratzen zu können. Er bot ein Bild komischster Verzweiflung, antwortete aber nicht.
    „Nun, wie ist es? Habe ich recht?“
    „Effendi“, stieß er hervor, „woher weißt du das denn?“
    „Ich errate es. Sage mir also, was er eigentlich war.“
    „Nun, wenn du es denn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher