Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
meinem Anzug fertig geworden.“
    „Und ich muß den Leuten ihre Arbeit anweisen. Du wirst mich entschuldigen, Effendi.“
    Wir verließen die Hütte. Eben als ich die andere betreten wollte, hörte ich scheltende Stimmen hinter der Tür. Diese wurde aufgestoßen, so daß sie mir fast ins Gesicht flog, und es kamen zwei Männer heraus, welche an mich anrannten, nämlich Halef, in der einen Hand meine Hose und in der anderen den Schneider. Er zog denselben hinter sich her, so daß er mir den Rücken zukehrte und also nicht sah, an wen er rannte. Sich halb umdrehend, schrie er mich an:
    „Dummkopf, hast du keine Augen!“
    „Freilich habe ich Augen, Halef“, antwortete ich.
    Er fuhr herum, und als er mich sah, sagte er:
    „Ah, Sihdi, soeben wollte ich zu dir!“
    Er befand sich in höchstem Zorn, riß den armen Teufel einen Schritt näher an mich heran, hielt mir die Hose hin und fragte mich:
    „Sihdi, wieviel hast du für diese Hose bezahlt?“
    „Hundertdreißig Piaster.“
    „So bist du dumm gewesen, so dumm, daß es mich erbarmen möchte!“
    „Warum?“
    „Weil du hundertdreißig Piaster bezahlt hast für etwas, was eine Hose sein soll, aber keine ist!“
    „Was ist es denn?“
    „Ein Sack, ein ganz gewöhnlicher Sack, in welchen du alles tun kannst, was dir beliebt: Erbsen, Mais, Kartoffeln, meinetwegen auch Eidechsen und Frösche. Glaubst du das etwa nicht?“
    Er blickte mich so grimmig an, daß ich mich hätte fürchten mögen. Ich antwortete ruhig:
    „Wie kommst du dazu, mein Beinkleid einen Sack zu nennen?“
    „Wie ich dazu komme? Da sieh her!“
    Er fuhr mit der Faust in das Hosenbein, welches zerrissen gewesen war, konnte aber mit dem Arm nicht unten heraus. Der brave Schneider hatte des Guten zu viel getan und, indem er den Riß reparieren wollte, das Bein zugeflickt.
    „Siehst du es? Siehst du die Überraschung und das Herzeleid?“ schrie Halef mich an.
    „Allerdings.“
    „Fahre einmal mit dem Bein hinein!“
    „Das werde ich bleiben lassen.“
    „Aber hinein willst du doch, hinein mußt du doch, dazu ist die Hose da, aus der nun ein armseliger, elender Sack geworden ist. Jetzt steht dir nichts anderes zu, als daß du mit einem bekleideten und einem nackten Bein in der Welt herumreitest. Was werden die Leute sagen, wenn sie dich sehen, dich, den berühmten Effendi und Emir! Und wo sollst du hier in dem elenden Dorf eine andere Hose hernehmen!“
    „Brauche ich denn eine andere?“
    „Freilich, natürlich! Du kannst diese doch nicht anziehen!“
    „Freilich kann ich sie anziehen.“
    „Wie denn? Doch nur mit einem Bein!“
    „Nein, mit beiden Beinen. Dieser überflüssige Schneider braucht nur die Naht wieder aufzutrennen und den Riß zu flicken.“
    „Die – Naht – auf – trennen!“ rief Halef, mich starr anblickend. Dann brach er in ein lautes Lachen aus und fügte hinzu:
    „Sihdi, da hast du recht. Daran habe ich in meinem Zorn gar nicht gedacht – die Naht wieder auftrennen, das ist das Richtige!“
    Das angstvolle und verlegene Gesicht des Schneiders heiterte sich wieder auf; aber er kam doch nicht so gut davon, wie er denken mochte, denn der Hadschi fuhr ihn an:
    „Kerl, siehst du denn endlich ein, welch eine ungeheure Dummheit du begangen hast! Erst flickst du das Hosenbein zu, und dann weißt du nicht einmal Hilfe zu schaffen!“
    „O, ich habe es gewußt, aber du hast mich nicht zu Wort kommen lassen“, verteidigte sich der arme Schelm.
    „O Allah, Allah, was gibt es doch für Menschen! Ich habe dich in aller Ruhe gefragt, wie diesem Fehler abzuhelfen sei; ich habe mit der Geduld eines Marabuh auf deine Antwort gewartet; du aber standest da, als ob du ein Kamel verschluckt habest, dessen Höcker dir im Halse steckengeblieben sei, und da habe ich dich bei deinem eigenen Höcker genommen, um dich zum Effendi zu führen. So ist die Sache gewesen. Kannst du denn diese Naht wieder auftrennen?“
    „Ja“, erwiderte der Schneider kleinlaut.
    „Und wie lange wird dies dauern?“
    „Zwei bis drei Stunden.“
    „O Allah! So sollen wir also wegen deiner Flickerei noch bis zum Abend warten? Das geht nicht, das können wir nicht zugeben.“
    „Es wird nicht so lange dauern“, sagte ich, „denn ich werde ihm helfen.“
    „Wie verträgt sich das mit der Würde deines Berufes und mit der Macht deiner persönlichen Erscheinung?“
    „Sehr gut. Ich werde mich mit diesem guten Mann, der ein schlechter Schneider ist, hier hereinsetzen. Während er mir die anderen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher