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1596 - Abgrund der Zeit

Titel: 1596 - Abgrund der Zeit
Autoren: Unbekannt
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zurückgefordert und lediglich als letzte Gnade eine Zelldusche gewährt hatte. 20 000 Jahre, eine ungeheure Zahl gemessen an dem, was sich allein in einem Zehntel der Zeit in der Milchstraße abgespielt hatte. Sollte es wirklich das Schicksal der Menschheit sein, durch einen Irrtum dieser Zeit beraubt zu werden?
    Myles begann zu frieren. Wenn ihn jetzt jemand gesehen hätte, wie er bibbernd im Gleiter saß und die Heizung höherstellen ließ, der hätte geglaubt, daß er unter hohem Fieber litt. „Beeile dich", wies er den Steuersyntron an. „Ich habe es eilig. Die Frist ist um."
    Er erreichte den Bungalow am Goshun-See und schwebte hinein. Enza war bei Freundinnen, Kallia arbeitete im Waringer-Building. Myles schälte sich die feuchte Wäsche vom Leib und nahm eine heiße Dusche. Sie besserte seinen Zustand ein wenig, aber die Wirkung hielt nicht lange an. Er irrte ziellos durch das Haus.
    Seine Gedanken ließen sich nicht mehr kontrollieren. Er wollte sich ablenken, aber es ging nicht.
    Zwanghaft waren sie auf das eine Problem gerichtet. Die Gesichter der Friedensstifter tauchten vor seinem inneren Auge auf, diejenigen, die die Aktivatoren getragen hatten. Diese Wesen waren es gewesen, die durch Dorina Vaccer hatten wissen lassen, daß innerhalb von 2 Jahren insgesamt 20 Jahre der letzten Gnadenfrist der Zelldusche vorüber waren. War es so, daß in den seit dieser Mitteilung verstrichenen 24 Monate weitere 20 Jahre aufgebraucht waren? Oder sogar mehr, weil der Zeitraffereffekt sich parallel zur steigenden Wirkung der Psiqs auf ES beschleunigte?
    Myles bewegte sich unruhig und murmelte vor sich hin. „In welchem Takt tickst du, Wandereruhr?" stellte er die Frage, aber das deaktivierte Gebilde mitten im Zimmer blieb ihm die Antwort schuldig.
    Immer tiefer verstrickten sich seine Gedanken in das Problem, ohne die Lösung zu finden.
    Und dann geschah das, wovor Myles in den letzten Tagen innerliche Ängste ausgestanden hatte.
    Er öffnete die Augen, aber da war kein Zimmer mehr. Ein lichterfüllter, gestaltloser Raum umgab ihn, in dem keinerlei Schwerkraft zu spüren war. Myles glaubte die Gegenwart von etwas Fremdem zu erkennen, aber es war für seine Sinne nicht faßbar. So sehr er sich anstrengte, gelang es ihm nicht, diesem Etwas näher zu kommen. „Wer bist du?" fragten seine Gedanken mit hoher Intensität.
    Irgendwo in seinem Bewußtsein entstand ein Flüstern von unendlich vielen Stimmen. Sie schienen alle dasselbe zu verkünden und sprachen doch jeder eine andere Sprache. Myles wollte sie verstehen, doch als er eben die ersten Worte verstand, versiegten die Stimmen, und er war wieder von absoluter Lautlosigkeit umgeben.
    Er registrierte, daß er auf dem Rücken lag und ihn die Schulterblätter schmerzten. Er wälzte sich auf die Seite und richtete sich auf. Die milchige Umgebung verlor ein wenig von ihrer Undurchdringlichkeit, und er machte einen Schatten aus. „Hallo!" rief Myles. „Hier bin ich. Komm zu mir. Bist du der, der mich gefangenhält?"
    Im nächsten Augenblick wich der Druck, der bisher auf ihm gelastet hatte. Er konnte aufstehen und sich bewegen. Hastig folgte er dem Schatten, der sich von ihm abgewandt hatte. Er stieß gegen eine Mauer aus zäher Substanz, die er mit äußerster Willenskraft durchdrang. So gut es ging, ruderte er mit den Armen vorwärts und kam dem Schatten näher und näher. „Ich hole dich ein, ich kriege dich", rief er. „Warum läufst du vor mir davon?"
    Der Schatten zerfloß und machte dem Eindruck einer leuchtenden Energiespirale Platz. Und Myles vernahm dieses unverwechselbare Lachen. „Kleiner Mensch, du wirst mich nie einholen", hörte er die Stimme. „Niemand wird das schaffen.
    Keiner aus der Galaxis, die ihr Milchstraße nennt. Und du bist einer der letzten, die mich zu Gesicht bekommen. Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Ich will denen einen letzten Gruß bringen, die einst die Aktivatoren getragen haben und deren Frist in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft abläuft."
    „Wann, sag mir, wann?"
    Wieder klang das Lachen auf, und es entfernte sich von ihm. „Kleines Menschenwesen", vernahm Myles noch, dann war es still um ihn. Er schluckte heftig.
    Sein Gesicht wurde naß, und er rang nach Atem. Er drehte seinen Körper, und da ging es besser.
    Wie lange er so verharrte, vermochte er nicht zu sagen. Er kehrte in die Wirklichkeit zurück, als kräftige, metallkühle Arme nach ihm griffen und ihn über ein Geländer oder etwas Ähnliches
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