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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut
Autoren: Stephanie Seidel
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zwischen den Häusern, und über einem der Dächer stieg Rauch auf.
    Zügig hielt Aruula auf das Dorf zu. Ihr war klar, dass sie im offenen Gelände weithin sichtbar war und dass die Bewohner sie wahrscheinlich längst erspäht hatten. Doch das machte keinen großen Unterschied, denn Aruula steckte in einer Patt-Situation: Ob sie unbewaffnet im Freien übernachtete oder unbewaffnet ein fremdes Haus betrat – die Chance zu sterben war die gleiche.
    Es könnten natürlich auch friedliche Leute sein! Die Barbarin lachte lautlos. Was für ein alberner Gedanke! Wenn ihr das Leben eine Lektion erteilt hatte, dann war es die, dass man von Fremden nichts Gutes erwarten sollte. Sie entpuppten sich zu oft als üble Typen.
    Aruula stutzte. Warum ihr von allen üblen Typen jetzt ausgerechnet Jacob Smythe einfiel, war so unerklärlich wie der anhaltend verschleierte Himmel. Sie tastete nach der Narbe in ihrer Leistenbeuge. Was hat er mich gequält, dieser verfluchte Kerl!
    Der irre Professor hatte Aruula vor Jahren einen Trilithium-Splitter implantiert und versucht, sie mit Stromschlägen zum Reden zu bringen. Er wollte von ihr den Aufenthaltsort seines Todfeindes Matthew Drax erfahren und ihn töten. [3]
    Es war ihm nicht gelungen! Smythe nicht, und auch niemandem sonst – denn die Götter liebten Maddrax, und sie hatten ihm immer einen Ausweg gezeigt! Oder einen Retter geschickt. Und Freunde.
    Bis jetzt.
    Denk an was anderes!, befahl sich die Barbarin, als ihre Kehle schmerzhaft eng wurde. Egal, an was! Bloß nicht an die Vergangenheit, das tut nur weh!
    Doch es war schwer, einen positiven Gedanken aus dem Meer der Traurigkeit zu fischen, in dem Aruula zu versinken drohte. Hinter ihr lagen so viel Kummer und Schmerz, und vor ihr nichts als Ungewissheit. Die Barbarin hatte sich zu einer Suche aufgemacht nach etwas, von dem sie nicht einmal sagen konnte, was es eigentlich war. Irgendeine Macht, ja, sicher.
    Da war eine Vision gewesen. Ein Flammenfelsen. Wärme, Frieden, ein Ruf ohne Worte, dem man nicht widerstehen konnte. Aruula fuhr sich übers Gesicht und nickte. Das musste eine Gottheit sein! Maalik glaubte das auch.
    Die Barbarin hob den Kopf. Irgendwo da vorn in der Nacht – weit, weit hinter dem Ruinendorf, auf das sie zuging, lag ein geheimnisvolles Land. Die alte Handelsstraße, deren Verlauf Aruula seit Wochen folgte, endete jenseits der Grenze. Maalik war schon einmal in diesem Land gewesen und hatte Aruula einiges davon erzählt.
    Dort werden wir den Rufenden finden, hatte er gesagt.
    Aruula lächelte bei der Erinnerung an den jungen Mann, den sie beinahe buchstäblich auf einer Lichtung in den russischen Wäldern getroffen hatte. Sie war damit beschäftigt gewesen, ihre halsstarrige Androne zu landen, und Maalik hatte sich keinen Schritt zur Seite bequemt. Den Grund für die scheinbare Rücksichtslosigkeit hatte Aruula erst nach holperiger Bodenberührung herausgefunden. Wütend war sie auf Maalik losgestürmt, doch er hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt – obwohl ihr Schwert auf ihn zielte! Das war allerdings kein Zeichen von Mut gewesen, sondern lag an seinen Augen: der hübsche, dunkel gelockte Mann war blind.
    Trotzdem sah Maalik mehr als andere.
    Seine Sprache war die der Wandernden Völker, sein Wesen offen und heiter. Aruula fand ihn sympathisch, und so hatte sie sich ein bisschen mit ihm unterhalten. Dabei erfuhr sie, dass Maalik die Gabe des Lauschens besaß. Er hatte seinem Vater, einem reisenden Händler, viele gute Dienste geleistet beim Tausch und Einkauf seiner Waren, denn Maalik konnte erlauschen, ob ein Verkäufer betrügen wollte oder ehrlich war.
    Sein Augenlicht war in frühester Jugend durch eine Krankheit erloschen, und er hatte lange vergeblich nach Heilung gesucht.
    Aber nun gab es Hoffnung! Maalik sprach von einem seltsamen Ruf, den er kurz nach dem großen Knall am Kratersee vernommen hatte. Es war eine Botschaft ohne Worte gewesen, nur ein Bild und ein Gefühl. Das Bild konnte er nicht interpretieren, weil er zu früh erblindet war und keinen Vergleich hatte. Das Gefühl aber hatte ihm gesagt, er solle kommen. An einen Ort, und alles würde gut…
    Plötzlich blökte in der Nähe eine nie zuvor gehörte Tierstimme los. Die Barbarin schrak auf, und ihre Hand flog hoch – wie immer. Doch da war kein Schwert, das sie hätte ziehen können.
    »Meerdu!«, wisperte sie düster.
    Aruula hatte das Dorf erreicht. Vor ihr ragten dunkle Ruinen in den ebenso dunklen Himmel. Man sah sie nur
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