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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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ihn sprechen. In seiner Führerkabine versteht er kein Wort.
    Noch hundert Meter, der Himmel ist wolkenlos. Hier im engen Talschluss liegt alles noch im Schatten. Schwabl schaut nach vorne auf die Rampe und die Gleise, die ihn nach unten führen. Sein Job ist es, auf allfällige Hindernisse auf der Gleisanlage zu achten. Vor allem im Tunnel sind Steinschlag oder ein Wassereinbruch mögliche Gefahrenquellen. Auf das Vorankommen des Zuges hat er keinen Einfluss. Das steuert der Maschinist in der Bergstation.
    Noch 50 Meter. Jetzt sind schon die Gesichter der Skifahrer erkennbar, die gedrängt auf einer 30-Meter-Treppe auf den Zug warten. Fast alle schauen gebannt nach oben, zu ihm und seiner »Kitzsteingams«. Der Maschinist im Alpincenter drosselt dieGeschwindigkeit. Keine Auffälligkeiten. Im Schritttempo fährt Siegfried Schwabl an den Skifahrern vorbei. Er richtet seinen Blick weit nach vorne, weil viele Wartende versuchen, in die Führerkabine zu schauen und das zu peinlichen Blickkontakten führt. Er visiert den ausgefahrenen Puffer an, der am Ende des 3,9-Kilometer-Gleises den Zug erwartet. Nur noch wenige Meter.
    Heute würde ich auch gerne Ski fahren, denkt er.
    Kontakt. Der Zug steht still, die Türen der Passagierabteile öffnen sich und verschlucken die vielen Skifahrer und Snowboarder, die endlich hoch zum Gletscher wollen. Mit dem Einfahren in die Talstation ist der Zug auf eine Stromschiene aufgefahren. Jetzt werden die Akkumulatoren in der Zugmitte geladen.
    Schwabl prüft noch einmal die Instrumente, während die Skifahrer mit Scharren und Klappern, das vom Schleifen der Skischuhe und Skier auf dem Metallgitterboden herrührt, ihren Platz im Waggon suchen: Hydraulikdruck im Normalbereich, 190 Bar, entnimmt er den Manometern am Pult links. Unmittelbar darunter ist der Heizlüfter angelaufen.
    Schwabl blickt sich noch einmal um. Durch ein kleines Acrylglasfenster hinter ihm sieht er nach oben in den Fahrgastbereich, der sich stetig mit Skifahrern füllt. Auf eine der Querstangen, die den Passagieren Halt geben, hat ein Vater seine kleine Tochter gesetzt. Die beiden lachen. Das Mädchen freut sich über die unerwartet gute Aussicht. Dahinter steht eine kleine Gruppe eng beisammen.
    Sie verhalten sich, als wären sie blind, denkt Schwabl. Direkt vor dem Sichtfenster steigt gerade eine Gruppe Skifahrer zu und unterhält sich angeregt. Schwabl hört nur Wortfetzen, aber er merkt am Dialekt sofort, dass es Bayern sind.
    Er zieht den Betriebsschlüssel ab, öffnet die Türe und sieht seitlich am Zug nach oben. Rasch steigt er die Stufen hoch in die obere Führerkabine, ein 30-Meter-Fußweg am Zug entlang. Es sind schon fast alle zugestiegen. In den Abteilen sieht er die Skifahrer und Snowboarder dicht gedrängt stehen. Die Stimmung ist ausgelassen, kein Wunder bei dem Wetter. Traumbedingungen gleich zu Saisonstart, das passiert nicht alle Jahre.
    Der Heizlüfter in der unteren, mittlerweile unbesetzten Führerkabine, läuft. Seit sechs Jahren, seit dem Umbau der Bahn, macht er hier Tag für Tag nichts anderes, als im Acht-Minuten-Takt zu heizen, hochgerechnet rund 90.000 Mal seit 1994, vielleicht zum zehntausendsten Mal alleine in diesem Jahr. In den Stationen läuft er für drei Minuten zur Höchstleistung auf, Heizstufe Zwei, 35 Grad - einmal im Tal auf 900 Höhenmetern, das nächste Mal auf dem Gletscher auf 2450, dazwischen eine stromlose Fahrt durch den nasskalten Tunnel, weil sich der Zug beim Ausfahren aus den Stationen von der Stromschiene löst.
    Mit einem Knopfdruck schließt der Zugführer die Türen. In seinem Protokoll vermerkt er Punkt neun Uhr. Er liest die Zeit von einer zentral gesteuerten Wanduhr ab, die aber, wie die gesamte Systemzeit der Gletscherbahn, um zweieinhalb Minuten nachgeht. Zugführer Schwabl wirft über einen Parabolspiegel noch einen letzten Blick zurück, hinunter auf seinen Zug. Jetzt ist alles bereit. Er gibt dem Maschinisten das O.K. für die Abfahrt.
    30 Meter weiter unten ist im Heizlüfter gerade die erste Flamme wie aus dem Nichts entstanden. Als der Zug mit einem Ruck losfährt, brennt er bereits.

Kapitel 7
    Maximilian Steiner ist mit einer Reisegruppe aus dem bayrischen Vilseck gekommen. Als einer der letzten Fahrgäste ist der 27-Jährige in die »Kitzsteingams« eingestiegen. Er steht ganz unten im Zug, direkt an der Trennwand zur unbesetzten Führerkabine. Ein kleines Sichtfenster gibt ihm direkten Einblick. Seine Bekannten aus Vilseck stehen rundum dicht
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