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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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werden. Die Tage zuvor waren hektisch für die Gletscherbahnen Kapruns. Das Alpincenter, die Bergstation der Tunnelbahn, war über den Sommer umgebaut worden, und die Vorbereitungen zum Saisonstart sind bis zum letzten Tag gelaufen. Die Betriebsgenehmigung für die Bergstation ist zwar noch ausständig, doch das Gletscher-Skigebiet ist frisch präpariert. Allein 1500 Snowboarder werden an diesem Tag erwartet, außerdem 2500 Skifahrer. Zwischen 55 und 130 Zentimeter Schnee liegen auf dem Schmiedinger Kees. Alles ist bereit für den Ansturm.
    Es ist die siebte Fahrt an diesem Tag, als der Maschinist in der Bergstation das Signal zum Starten der Anlage gibt. Dort setzt sich der »Gletscherdrache« mit einem Ruckeln in Bewegung und beschleunigt langsam nach unten in den Tunnel. 3,9 Kilometer und 1500 Höhenmeter weiter unten im Tal startet der Gegenzug, die»Kitzsteingams«, seine Bergfahrt. Die Standseilbahn fährt zwar auf Schienen im Tunnel durch den Berg, funktioniert aber im Prinzip wie eine überirdische Pendelseilbahn: Fährt der eine Zug unten los, startet der andere oben. In der Mitte treffen sich die beiden Züge.
    Die »Kitzsteingams« ist bereits gut gefüllt, bis zu 180 Passagiere finden dicht aneinander stehend Platz. Im Zugführerabteil sitzt Siegfried Schwabl, einer der jüngsten Mitarbeiter der Gletscherbahn. Von der Talstation aus geht es zuerst auf eine 600 Meter lange Rampe, dann taucht die Bahn in den Berg ein. 3,3 Kilometer lang ist der enge, unbeleuchtete Tunnel bis zur Bergstation. Acht Minuten dauert die Fahrt in der Regel.
    »Was hat’s?«, funkt Siegfried Schwabl nach oben zum Maschinisten. Sein Zug ist mitten im Tunnel zum Stehen gekommen. Keinen Meter parallel daneben hat der zweite Zug, der »Gletscherdrache«, seinen Weg nach unten gestoppt. Es ist die unterirdische Mittelstation, die Breitriesenalpe, wo die sogenannte Abt’sche Weiche dafür sorgt, dass die Züge aneinander vorbeifahren können. Vor sich sieht Schwabl die kreisrunde Tunnelwand, zumindest ein paar Meter weit, beleuchtet von den Lampen der Mittelstation. Rechts hinter ihm liegt der menschenleere Bahnsteig, der in Stufen angeordnet den Breitriesenstollen erschließt, der von der Mittelstation aus 640 Meter weit ins Freie führt.

    Siegfried Schwabl (Jugendfoto).
    In den Abteilen hinter ihm blicken die Skifahrer aus den von scharfen Skikanten zerkratzten Acrylglasfenstern. Nach der Fahrt durch den unbeleuchteten Tunnel können sie jetzt die Felswände im Detail wahrnehmen. Hier in der Mittelstation sind alle zehn Meter Neonröhren an der Wand montiert, die den grob geschlagenen Fels und seine Kalkablagerungen in ein gespenstisches, kaltes Licht tauchen. Im geschwungenen Kunststoffinterieur der Züge mit seinen Werbebannern, dem Spruch »Ich schau dir auf die Skier, Kleines« neben einem Humphrey-Bogart-Konterfei und unter den bunt gekleideten Skifahrern und Snowboardern mit ihren schnittigen Sportgeräten haben sie vergessen, dass sie sich in einer fremden Umgebung befinden, mitten im Hochgebirge, mitten im Berg. In der Mittelstation schleicht sich eher das Gefühl ein, ein dreckverschmierter Knappe zu sein, der tief im Berg nach Erzen schürft, als ein Freizeitsportler, der gleich in der Gletschersonne seine Schwünge in den frisch präparierten Schnee setzen soll.
    Auf dem einen Gleis steht ein voll besetzter Zug, Skifahrer an Skifahrer, die in einer Hand die Skier halten und mit der anderen Halt suchen. An den Schlaufen, die von der Decke baumeln, an den gepolsterten Stangen, die senkrecht und waagrecht durch die Abteile führen, oder am Overall des Nachbarn. Umfallen ist in dem Gedränge eigentlich unmöglich, aber sich festzuhalten gibt Sicherheit. Viele schauen hinüber auf den menschenleeren Zug, in dem nur die baumelnden Haltegriffe davon erzählen, dass er eben noch in Bewegung war.
    Gleich soll es weitergehen.
    Dass der Zug hier stoppt, kommt öfter vor, meistens, um Jäger oder Skifahrer zusteigen zu lassen, die über den Breitriesenstollen in den Berg eingestiegen sind. Aber so früh am Morgen? Das wundert vor allem die Einheimischen, die schon öfter mit der Bahn gefahren sind.
    »Vielleicht laden sie was zu?«, fragt einer. »Geht sicher gleich weiter«, sagt sein Kompagnon.
    Weiter oben in der Führerkabine hat Siegfried Schwabl den schwarzen Telefonhörer abgenommen. Die Sprechverbindung mit dem Maschinisten in der Bergstation ist jetzt aktiv: »Hallo, Siegfried?«
    Warum der Zug steht, weiß der
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