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1490 - Das Rätsel der Leichenvögel

1490 - Das Rätsel der Leichenvögel

Titel: 1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
Autoren: Jason Dark
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wiederhole: Wenn er spricht, dann mit der Stimme meiner Frau.«
    Ich war weit davon entfernt, über die Aussagen zu lachen, und wollte nur wissen, wann er denn sprach.
    »Das muss ich ihm selbst überlassen. Er redet nicht, wenn ich ihm Fragen stelle.«
    »Dann können wir nur hoffen, dass sich der Vogel entschließt, in unserem Beisein zu sprechen.«
    »Ja. Wir müssen wohl Zeit haben.«
    Bill schlug mir auf die Schulter. »Ich bin gespannt, was du dazu sagst, wenn du ihn reden hörst.«
    »Hast du ihn denn schon gehört?«
    »Bei mir hat er nur gekrächzt.«
    Das brachte mich auch nicht weiter. Aber ich kümmerte mich um den Vogel, der bewegungslos auf dem Boden des Käfigs stand und durch die Gitterstäbe an uns vorbeischaute. Um ihn in Augenhöhe ansehen zu können, musste ich mich bücken.
    »Meinen Sie, dass ich ihn so zum Reden bringen kann?« fragte ich seinen Besitzer.
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Wir müssen Geduld haben. Er fängt plötzlich an, und ich habe dann stets das Gefühl, meine Frau würde neben mir stehen.«
    »Kein Krächzen?« fragte Bill.
    »Nein. Aber ich bin froh, dass Sie mich nicht auslachen, Mr. Conolly. Ich komme mir schon blöd vor. Das ist ein Ding, ich weiß. Ich könnte heulen oder auch lachen. Es kommt ganz darauf an.« Er fuhr mit beiden Händen durch sein Gesicht. »Es ist grauenhaft, und ich will mich auch nicht lächerlich machen.«
    »Das machen Sie sich auch nicht, Mr. Toby.«
    Ich fragte mich, woher Bill den Mann kannte. Mein Freund war Reporter. Seine Artikel wurden ihm von den verschiedensten Gazetten aus den Händen gerissen. Zudem hatte er eine E-Mail-Adresse und war auch darüber zu erreichen. So kam es, dass Menschen immer wieder Kontakt zu ihm aufnahmen. Bill selektierte natürlich, weil er mit Spinnern nichts zu tun haben wollte, und diesem Mann hatte er anscheinend geglaubt.
    »Wir müssen Geduld haben«, sagte der Reporter.
    »Ja, ich weiß. Aber es ist wie so oft. Will man etwas demonstrieren, geht alles daneben.«
    Der Vogel glotzte mich an. In seinen Augen bewegte sich nichts.
    Da gab es kein Zucken, kein Leuchten, einfach nichts. Er blieb so ruhig und unbeweglich, dass man fast meinen konnte, einen ausgestopften Vogel vor sich zu haben.
    Das jedoch glaubte ich nicht. So etwas hätte sich Mark Toby nicht getraut.
    Plötzlich passierte doch etwas. Wahrscheinlich war ich zu nahe an den Käfig herangekommen, denn die Krähe zuckte zusammen. Diese Bewegung konnte ich mir nicht erklären, aber man konnte möglicherweise davon ausgehen, dass sie Angst bekommen hatte.
    Tatsächlich ging sie auf ihren dünnen Beinen zurück und scharrte dabei mit den Krallen.
    »Was hast du gemacht?« fragte Bill.
    »Nichts, nur geschaut.«
    »Dann war es dein Gesicht, vor dem der Vogel sich gefürchtet hat.«
    »Danke, ich habe begriffen.«
    Die Saatkrähe plusterte sich auf. Als ihr Besitzer das sah, kam Leben in ihn. Sein ausgestreckter Zeigefinger zuckte vor, zurück, dann wieder vor, und er sprach mit hastiger Stimme: »So ist es immer gewesen, so kenne ich ihn.«
    »Wobei?«
    »Er wird gleich reden.«
    Ich stellte keine Frage mehr und wollte mich lieber überraschen lassen. Bis jetzt war alles nur mehr oder weniger ein lustiges Spiel, der Ernst würde vielleicht noch kommen.
    Der Vogel nahm an Umfang zu. Er schlug auch mit dem Flügeln, so gut es ihm in dem kleinen Käfig möglich war.
    Ich war in meiner gebückten Haltung geblieben, um seinen Kopf und die Augen zu beobachten.
    Ich war sein Feind!
    Das sah ich überdeutlich. Es gab nur noch mich für ihn. Er hätte seinen Kopf auch drehen können, um die anderen anzuschauen, aber ich allein war derjenige, den er anstarrte.
    Würde der Vogel sprechen?
    Zumindest öffnete er seinen Schnabel. Jetzt hätte er Krächzen oder irgendwelche anderen Laute hervorbringen müssen, aber es geschah nichts dergleichen. Stattdessen veränderte sein Gefieder die Farbe.
    Die glänzende Schwärze verlor sich. Es war kaum zu fassen, aber sie machte einem giftigen Grün Platz.
    »Was ist das denn?« schrie Mark Toby.
    Er hörte die Antwort. Wir hörten sie auch.
    »Fahrt zur Hölle! Alle, die die Natur verachten, sollen endlich zur Hölle fahren!«
    Diese Worte verwunderten uns. Ausgesprochen hatte der Vogel sie mit der sich überschlagenden Stimme einer Frau…
    ***
    Nach diesem Fluch war es für einen Weile ruhig. Die Sekunden verstrichen. Keiner von uns sagte ein Wort. Wir standen noch unter dem Eindruck des Geschehens, bis Mark Toby nickte
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