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1468 - Tanz im Totenreich

1468 - Tanz im Totenreich

Titel: 1468 - Tanz im Totenreich
Autoren: Jason Dark
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telefonierte ich mit den Kollegen und bat um einen Streifenwagen, mit dem die menschliche Last abtransportiert wurde.
    Das Mädchen hatte sich hingesetzt und die Beine an den Körper gezogen.
    Die dunklen Augen starrten ins Leere. Hin und wieder hörte ich ein Schluchzen. Es war nicht bis zum Äußersten gekommen, doch der Schreck würde trotzdem tief sitzen.
    Ich bückte mich, damit sie in mein Gesicht schauen konnte.
    »Können Sie sprechen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie einen Namen?«
    »Naomi.«
    »Gut, und wo wohnen Sie? Hier in der Nähe?«
    »Nein, auf der anderen Seite des Flusses.«
    »Möchten Sie Anzeige erstatten?«
    Naomi überlegte. Nach einer Weile hob sie die Schultern. »Bringt es denn was?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich werde es tun. Ich bringe den Mann hinter Gitter.«
    »Er wird mich finden und erschlagen!« flüsterte sie tonlos. »Ich bin ja mit ihm gegangen, zu ihm in den Wagen gestiegen…«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Sechzehn.«
    »Wo leben Sie genau?«
    »Bei meinen Eltern. Wir sind Asylanten aus dem Kongo. Ich wusste nicht, dass es hier auch so schlimm sein kann.« Die Erinnerung schoss erneut in ihr hoch, und sie begann zu weinen.
    Ich wusste, dass sie nicht ansprechbar war. Als ich mich erhob, um nach dem Vergewaltiger zu schauen, huschte bereits der Widerschein des Blaulichts durch die Luft, was mich wiederum an die ungewöhnlich Begegnung in der Gasse erinnerte.
    Zunächst mal musste ich mich um die Kollegen kümmern.
    Sie waren aus dem Wagen gestiegen.
    Zwei kräftige Männer, die Lampen in den Händen hielten. Ich winkte, als ich in deren Schein geriet, und wollte mich wenig später ausweisen. Doch das brauchte ich nicht, denn ich war den Kollegen bekannt. Ich erklärte ihnen, dass dem Mädchen nichts passiert war und es nur unter Schock stand. Dann führte ich sie zu dem Vergewaltiger. Wir tauschten die Handfesseln aus, und beide Kollegen nickten gleichzeitig, als sie das Gesicht im Schein ihrer Lampen erkannten.
    »Ach, der Bulle.«
    »Ihr kennt ihn?«
    »Ja. Ein Typ, der sich für den Allergrößten hält. Für den absoluten King, der denkt, er könnte sich alles erlauben. Endlich ist er mal reingefallen.«
    »Ich werde Anzeige erstatten.«
    »Das ist gut, Sir. Damit haben wir ihn. Es gibt da noch einige andere Dinge, die wir ihm beweisen müssen, und dann ist er für die nächsten Jahre aus der Öffentlichkeit verschwunden.«
    »Das wird Naomi gern hören.«
    »So etwas hoffen wir doch.«
    Der Kerl wurde hoch gezogen. Er stöhnte dabei. Ein Zeichen, dass er allmählich wieder erwachte.
    »Was passiert mit dem Mädchen?« wollte ich noch wissen.
    »Wir nehmen es mit. Eine Kollegin von uns ist Psychologin. Sie wird sich um den Fall kümmern.« Der Bobby grinste scharf. »Diesmal ist alles anders.«
    »Wieso?«
    »In der Regel trauen sich die Opfer nicht, ihre Peiniger anzuzeigen, denn sie haben Angst. Ich denke, dass es bei Ihnen nicht der Fall sein wird.«
    »Das hatte ich Ihnen bereits gesagt.«
    »Gut, ich wollte mich nur noch mal vergewissern.«
    Die Kollegen kümmerten sich um den Verbrecher. Sie zerrten ihn hoch und schafften ihn dann über das Grundstück hinweg zu ihrem Fahrzeug.
    Ich schaute auf Naomi hinab. »Wollen Sie nicht aufstehen?«
    »Und dann?«
    »Wäre der beste Weg nach Hause.«
    »Ich will nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Alles ist so bedrückend. Ich habe noch vier Geschwister. Alles ist so klein und beengt.«
    »Aber Sie können nicht auf der Straße leben«, hielt ich ihr vor.
    Sie hob die Schultern.
    Ich verstand sie, denn ich wusste, wie manche Asylantenfamilien im Schatten unserer Wohlstandsgesellschaft dahinvegetierten. Dennoch überzeugte ich Naomi davon, dass es besser war, wenn sie mit den Kollegen fuhr und im Revier erst mal Ruhe fand.
    Erst wollte sie nicht. Ihr Vertrauen in die Polizei war gleich Null.
    Wahrscheinlich hatte sie schlechte Erfahrungen gemacht.
    Schließlich stimmte sie doch zu, und ich brachte sie zu den beiden Kollegen.
    Die hatten inzwischen einen zweiten Wagen kommen lassen. In ihm befand sich auch eine Kollegin, und ich war mir sicher, dass es die Psychologin war, von der die beiden Bobbys gesprochen hatten.
    Sie kümmerte sich auch sofort um die junge Frau, die mir einen Abschiedsblick zuwarf, als sie in den Streifenwagen stieg.
    Die beiden Kollegen bedankten sich noch bei mir.
    »Wofür?« fragte ich.
    Zwei Finger deuteten auf den Streifenwagen. »Für ihn, Sir. Erstand schon lange auf unserer Liste. Bei ihm war
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