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142 - Zakum, der dunkle Archivar

142 - Zakum, der dunkle Archivar

Titel: 142 - Zakum, der dunkle Archivar
Autoren: Dämonenkiller
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„Du siehst auch nicht übel aus, Bill. Ich wette, daß du dich vor den schmachtenden Blicken deiner Patientinnen kaum retten kannst."
    „Laß bitte diese geschmacklosen Bemerkungen, May."
    „Entschuldige. Dein Anruf hat mich ziemlich überrascht, denn wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen."
    Der Kellner störte sie. Keenland bestellte die Aperitifs und vertiefte sich in die Speisekarte. Dabei dachte er über Mary Barkdull nach, die von ihren Freunden nur May genannt wurde. In Harvard hatte er sie kennengelernt und sich augenblicklich in sie verliebt. Sie studierte Anthropologie und verdiente sich ihr Studium mit dem Verfassen von Berichten für so obskure Zeitschriften wie
Inside View.
Schamanismus und Vampire waren ihre Spezialgebiete. Zwei wunderbare Jahre lebten sie zusammen, doch dann trennte sie sich völlig überraschend von ihm, und darüber war er noch immer nicht hinweggekommen.
    Sie entschieden sich für Brokkolisuppe und Roastbeef.
    Ihre Unterhaltung während des Essens beschränkte sich auf höchst belanglose Dinge, sie tauschten einigen Tratsch aus, und Mary berichtete über ihre bevorstehenden Reisen nach Ägypten und der Türkei.
    Sie rauchte eine Mentholzigarette, trank einen Schluck Wein und studierte sein Gesicht.
    „Bill, was ist mit dir los?"
    Unglücklich zuckte er die Schultern. „Ich fühle mich scheußlich. Vor drei Tagen hatte ich ein seltsames Erlebnis. Ich muß darüber sprechen, sonst schnappe ich über."
    Mary Barkdull machte eine auffordernde Geste.
    „Du kennst meine Einstellung zu okkulten Dingen. Darüber haben wir oft gestritten, vielleicht war das auch einer der Gründe, weshalb du mich verlassen hast. Vor drei Tagen wurde ich zu einem Gast gerufen, ein Grieche aus Samothraki namens Melpo Vassilis. Er bezeichnete sich als einen von Lykaons Söhnen."
    „Das scheint allerdings höchst unglaublich zu sein. Lykaon kommt in der Sage von Deukalion und Pyrrha vor. Es ist eine ziemlich widerliche Geschichte. Zeus hört, daß König Lykaon von Arkadien gegen die Götter frevelt. In Menschengestalt trifft Zeus auf Lykaons Hof ein. Zum Nachtmahl bot er dem Gott das Fleisch eines ermordeten Jünglings an. Zeus war darüber so zornig, daß er die Burg des Frevlers in Brand setzte. Der König ergriff die Flucht, doch Zeus verwandelte Lykaons Umhang in Fellzotteln, seine Arme wurden zu behaarten Beinen, die Hände zu Krallen und aus dem blutdürstigen Tyrannen wurde ein Wolf."
    „In den vergangenen Tagen habe ich diese Sage mehrmals gelesen, May. Glaubst du an Werwölfe?" Sie schwieg lange. Geistesabwesend strich sie über ihr Haar, das die Farbe von Herbstlaub hatte - ein rötliches Braun, das im Kerzenlicht geheimnisvoll schimmerte.
    „Damit habe ich mich auch beschäftigt, Bill, aber Beweise für Lykanthropie habe ich bisher nicht gefunden."
    „Melpo Vassilis verwandelte sich im Tod in einen Wolf!"
    „Das ist eine starke Behauptung, mein Lieber. Wahrscheinlich hast du dich getäuscht."
    „Nein, das habe ich nicht. Außerdem gibt es noch einen Zeugen. Der Hoteldetektiv Carl Harmon weigerte sich anfangs zu reden, doch dann rückte er mit der Wahrheit heraus."
    Mary Barkdull blickte ihn skeptisch an.
    Er lachte bitter auf. „Nicht einmal du glaubst es mir", sagte er enttäuscht.
    „Was geschah mit dem Toten?"
    „Er wurde gestern begraben. Melpo Vassilis Verwandlung hielt nur wenige Minuten an, dann wurde er wieder zu einem Menschen."
    „Ich fürchte, da haben dir deine Nerven einen Streich gespielt."
    „Nein, May. Ich habe zumindest einen Beweis, der überaus eindrucksvoll ist."
    Keenland griff in die linke Rocktasche und legte das Amulett auf den Tisch.
    Neugierig prüfte es Mary Barkdull, dann hob sie den Kopf, und ihr Blick änderte sich.
    „Erzähle mir alles ganz genau, Bill", bat sie.
    Gespannt hörte sie zu.
    „Mir kommt das alles noch immer wie ein Alptraum vor", beendete Keenland den Bericht. „Das Amulett behielt ich, und ich nahm auch ein paar Haare an mich, die ich von einem Freund untersuchen ließ. Sie stammen eindeutig von einem Wolf, doch das ist natürlich kein echter Beweis, denn ich hätte mir die Haare ja auch aus einem Zoo beschaffen können."
    „Ich glaube dir, Bill", sagte sie einfach.
    Er atmete erleichtert auf. „Zuerst wollte ich das Amulett dem Wunsch des Toten gemäß ins Meer werfen, doch dann überlegte ich es mir anders. Ich weiß, daß ich eigentlich kein Recht habe, das Amulett zu behalten."
    „Auch ich hätte nicht anders gehandelt",
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