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1373 - Die vergessene Sage

1373 - Die vergessene Sage

Titel: 1373 - Die vergessene Sage
Autoren: Jason Dark
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Celine de Vichier wartete auf den Tod, und das tat sie mit einer Gelassenheit, die ich fast schon bewunderte.
    Ihre beiden Begleiter zogen sich aus ihrer unmittelbaren Nähe zurück. Jetzt hockte sie allein dort, und ich sah, dass sich ihre Lippen zu einem Grinsen verzogen, das sie hässlich machte. Wer sie kannte, musste davon ausgehen, dass sie auf die Macht der Hölle vertraute, aber die würde sie nicht retten.
    Von der Seite her kam ihr Bruder Renaud. Er blieb dort stehen, wo er die beste Schussposition hatte. Er schaute seine Schwester an.
    »Willst du uns vor deinem Tod noch etwas sagen?«, fragte er.
    Celine lachte ihn an. »Was willst du denn hören, verdammt noch mal?«
    »Viele, die dem Tod ins Auge schauen, sprechen noch ein letztes Gebet, um sich von den Sünden zu reinigen. Sie bitten den Allmächtigen um Vergebung, damit er sie vor der Hölle bewahrt. Ich gebe dir diese Möglichkeit, Schwester.«
    »Hör auf, Renaud, hör auf! Wenn ich ein letztes Gebet sprechen würde, dann wäre es dem Teufel geweiht. Im Gegensatz zu vielen anderen Delinquenten freue ich mich auf die Hölle. Das solltest du allmählich begreifen.«
    »Auf die ewigen Schmerzen, Schwester?«
    »Nein, auf die Freuden. Für mich wird es keine Schmerzen geben. Das solltest du dir merken. Der Teufel persönlich wird mich willkommen heißen und mich in seinen Armen wiegen, das kann ich dir versprechen. Und deshalb steckt mein Herz auch voller Freude und einem großen Jubel.«
    »Ja, so kenne ich dich, Schwester. So kenne ich dich leider. Ich habe stets gehofft, dass du auf den rechten Weg zurück findest. Leider ist das nicht geschehen.«
    »Ich bin auf dem richtigen Weg!«, schrie sie.
    Der Templer sagte nichts mehr. Er holte stattdessen einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf den Bogen, den er spannte.
    Es war wie ein Zwang, der auch uns traf. Glenda und ich konnten nicht woanders hinschauen, wir mussten einfach nur nach vorn blicken, aber Glenda fiel etwas ein, das sie unbedingt loswerden musste.
    »Er kann sie nicht töten, John.«
    »Warum nicht?«
    »Denk daran, was mit mir passiert ist«, flüsterte sie hektisch. »Ich habe sie in mir gespürt, das weißt du doch.«
    »Ich habe es nicht vergessen.«
    »Und jetzt?«
    Glenda wollte eine Erklärung. Meine Gedanken arbeiteten fieberhaft daran, und es gab für mich nur eine Möglichkeit, mit der ich auch nicht hinter dem Berg hielt.
    »Er kann den Körper töten, nicht aber den Geist. Ich denke, dass er sich bei ihrem Tod aus dem Körper gelöst und sich selbstständig gemacht hat. Das heißt, der Geist steht auch weiterhin unter dem Einfluss des Bösen und ist auf der Suche nach einem neuen Körper.«
    »Ja«, sagte Glenda und schaute mich aus großen Augen an. »So kann es gewesen sein.«
    »Ich bin davon sogar überzeugt, dass es so gewesen ist.«
    »Dann könnten wir auch weiterhin Probleme mit ihr bekommen.«
    »Abwarten.«
    Wir sprachen nicht mehr, denn Renaud de Vichier hatte die Sehne des Bogens zurückgezogen. Er wollte seine Schwester endgültig vernichten.
    Und er schoss!
    Es war in den letzten Sekunden sehr still in der Umgebung geworden. Wohl ein jeder hörte das Sirren, als der Pfeil sich auf den Weg zu seinem Ziel machte. Die Sehne schnellte wieder zurück, aber der Pfeil befand sich auf dem Weg – und erreichte das Ziel.
    Er jagte in die rechte Schulter der Frau hinein!
    Celine de Vichier nahm es hin. Sie schrie nicht mal dabei. Auch ruckte sie nur kurz zurück, sodass sie nicht durch die Öffnung der Mauer nach hinten fiel. Sie kippte nur leicht zur Seite, während ihr Bruder einen neuen Pfeil auflegte.
    Wir alle hörten das Lachen der Getroffenen, das sicherlich bei manchem einen Schauer hinterließ. Celine traf keine Anstalten, den Pfeil aus ihrem Arm zu ziehen. Ihr loses Mundwerk hatte sie nicht verloren, und ihre nächste Frage klang wie Hohn.
    »Ist das alles gewesen, Bruderherz?«
    »Nein, es war nicht alles.«
    Ihr Lachen war wieder höhnisch. »Du wirst es kaum fassen, aber ich spüre nicht mal Schmerzen. Der Teufel hat mich stark gemacht, verstehst du?«
    »Ich bin gespannt darauf, wie stark er dich gemacht hat, Celine.«
    Wieder zielte der Templer auf seine Schwester. »Es gibt einem bestimmten Punkt, da hat auch das Böse verloren. Durch den Armschuss habe ich dir eine allerletzte Chance zu einer Umkehr geben wollen. Wir hätten dich zu einem Exorzisten gebracht, der dir die Dämonen schon ausgetrieben hätte. Du hast es nicht gewollt und…«
    »Ich
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