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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar
Autoren: Michael M. Thurner
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versuchten. Rasch zog Rulfan die Kleidung aus und ließ sich todmüde auf den aschigen, noch warmen Boden fallen. Weitere Eschtannenzweige, deren Nadeln von der Hitze weich geworden waren, dienten als Matratze und als Decke.
    Ohne einen weiteren Gedanken an Sorge und Not schlief er ein. So tief, so traumlos und so zufrieden wie schon lange nicht mehr…
    ***
    Wo ist Rulfan nun? Die Suchaktion nach ihm wird zweifelsohne nur halbherzig geführt, und mit Sicherheit versteckt er sich dort, wo ihn niemand vermutet. Wahrscheinlich sind große Teile der Bunkergemeinschaft Salisburys ohnehin froh, dieses
    »Problem« vorerst von sich geschoben zu haben. Andere, dringende Angelegenheiten bedürfen einer Lösung.
    Wird Rulfan während der kalten Jahreszeit, allein auf sich gestellt, überleben können?
    Ich denke schon! Seine Willenskraft ist genauso groß wie das Wissen über das Funktionieren der Welt da oben. Wenn es einer schaffen kann, dann Sir Leonards Sohn.
    Was mein persönliches Schicksal betrifft: Bereits morgen findet die informelle Verhandlung statt, in der über meine Rolle als Ziel der Beeinflussung von Gu’hal’oori gesprochen werden wird.
    Die Octaviane Sir Leonard und Sarah Kucholsky interpretieren meine Rolle als die eines Opfers. »Seven«
    Duncan und mein Berufskollege Grimes möchten mich am liebsten als Täter brandmarken, der mit den Außerirdischen kooperiert hat.
    Ich kann nur hoffen, dass die Vernunft siegt…
    (Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Eve Neuf-Deville)
     
    2. Nahrung und Warnung
    Das laute Grunzen eines Eichenhahns weckte ihn, gefolgt von einem Würgegeräusch. Der winterbrunftige und dementsprechend unvorsichtige Vogel war offensichtlich Beute eines Schlangen-Maadas geworden, der diese Wälder in den letzten Jahrzehnten erobert hatte.
    Rulfan stand auf, gähnte und streckte die klammen Glieder.
    Fahles Licht drang durch das Wabenwachs. Eine kalte Sonne ging auf und blinzelte zwischen den Bäumen hindurch.
    Mehr als ein halber Meter Neuschnee war gefallen. Er hatte die Spuren des Vortages überdeckt. Von der Bookenwürmer-Kolonie war nichts zu sehen.
    Hunger.
    Rulfans Magen knurrte. Notdürftig putzte er die Asche von seinem Leib und schlüpfte in das Gewand. Jacke wie Hose waren nach wie vor feucht, aber es würde sich aushalten lassen.
    Auch dass er wie ein Räucherfisch stank, ignorierte er vorerst einmal.
    Bislang hatte ihn der Instinkt geleitet – und das, was ihm in seiner Jugend seine Mutter gelehrt hatte.
    Überleben. Nahrung. Sicherheit. Kleidung.
    Das waren Werte, die er während der Jahre in Salisbury zwar beiseite geschoben, aber niemals vergessen hatte.
    Vorerst einmal musste er weiter weg von hier. Sir Leonard kannte zwar den störrischen Charakter seines Sohnes, würde aber dennoch alles daran setzen, ihn zurück in die Bunkeranlagen zu bringen. Das, was in Rulfans Kopf und Geist umherschwirrte, war von größter Bedeutung für die hiesige Community.
    Aber Rulfan hatte keine Lust, als Versuchsobjekt herzuhalten. Und schon gar nicht wollte er für die Taten, die er ohne bewusste Mitwirkung begangen hatte, den Kopf in die Schlinge legen.
    Nicht darüber nachdenken , redete er sich ein. Dafür ist später Zeit.
    Mit steifen Fingern begann er die biegsamen Zweige der Eschtanne zu formen und zu flechten. Allmählich entstand eine Platte, die er mit Reisig verstärkte. Ein primitiver Schneeschuh, der ihm, auch wenn es jetzt Zeit kostete, über den Tag hinweg das Marschieren massiv erleichtern würde.
    Mit jedem Moment, mit jedem Handgriff gewann er an Sicherheit. Wissen, das er verloren geglaubt hatte, kehrte zurück. Es steckte in ihm, in seinen Genen.
    Es mochte neun Uhr morgens sein, als er endlich mit seinem Werk zufrieden war. Jetzt erst riss er die Wachsschicht auseinander und genoss die klare, frische Luft.
    Er stand auf, schlug Wasser ab, rieb sich Wangen und Hände und aß gleichzeitig ein wenig vom Schnee. Endlich konnte er los stapfen –Halt! Etwas fehlte.
    Rulfan blieb stehen, drehte sich suchend um. Da war es, was er suchte, in den Wipfeln des niedrigen Laubbaumes hinter ihm.
    Er hangelte sich hoch, riss zwei der blutroten Mistelzweige ab und legte sie kreuzweise vor den nunmehr toten Baum, der ihm über Nacht Schutz, Wärme und Zuflucht gewährt hatte.
    Der Albino sprach einen kurzen Dank an die Waldgötter, ebenfalls in Erinnerung an das Erbe seiner Mutter.
    Dann ging es los, Richtung Süden.
    ***
    Rulfan nahm sich nicht die Zeit, die Lischetten-Larve
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