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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar
Autoren: Michael M. Thurner
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Wildlederhose, die schwer und feucht um seine Beine schlackerte. Ein karmesinrotes Hemd aus schwerem Stoff, darüber eine leicht gefütterte Thermojacke in Weiß.
    Rulfan griff in die Taschen, fischte mancherlei Krimskrams hervor: Ein Allzweckmesser mit schartigen Klingen. Eine hölzerne Hundepfeife. Drei Konzentratriegel, die zwar den Magen sättigten, aber wie Toilettenpapier schmeckten. Ein kupfernes Halsband mit einem dicken weißen Haarbüschel daran, versteckt zwischen Kreditkarten, die in vielen Gegenden dieser Welt als Währung anerkannt wurden. Zwei Knöpfe, Brotkrümel, der verschließbare Kunststoffbeutel mit dem primitiven Glimmzeug…
    Rulfan seufzte leise und stach mit einer Hand durch das Holz des größeren der beiden Baumstämme. Der Widerstand war gering, das zernagte Holz zerrieb zwischen seinen Fingern buchstäblich zu Mehl. Dann kam die klebrige Wabenschicht, in der die Larven der Bookenwürmer heranreiften.
    Ohne zu zögern räumte er die glitschigen Weicheier heraus und schleuderte sie weit von sich, kleine Häuflein in mehrere Richtungen. Dabei ignorierte er die Bisse der an ihrer aggressiv roten Hautfarbe erkennbaren Wachwürmer. Sie würden leichte Hautreizungen verursachen, die in keinster Weise gefährlich waren.
    Die Knabber- und Fressgeräusche der Bookenwürmer endeten unvermittelt. Das Kollektiv des Wurmstaates erkannte augenblicklich, dass ein Eindringling die Kolonie bedrohte – und reagierte. Tausende, abertausende Würmer, jeweils zwischen ein und zwei Zentimeter lang und mit dünnen schwarzen Enden kamen aus dem Loch hervor gekrochen. In endlosen Kolonnen wanden sie sich den Stamm hinab. Blind, aber mit einem perfekten Geruchssinn ausgestattet.
    Und doch wirkten sie orientierungslos. Mehr als zwanzig Häuflein der Weicheier waren in einem Umkreis von mehreren Dutzend Metern verteilt. Unhörbare Hilferufe mussten das Kollektiv der Bookenwürmer schier zur Verzweiflung bringen.
    Die Brut, die das Überleben der Kolonie sichern sollte, sie verendete in der ungewohnten Kälte…
    Rulfan konnte und wollte darauf keine Rücksicht nehmen.
    Hier ging es um sein eigenes Leben. Er war durchnässt von der Flucht, und er fühlte sich schwach von der mentalen Belastung, die ihn in den letzten Wochen im Griff gehalten hatte. Er benötigte Schlaf, Wärme und Ruhe.
    Der Albino verbreiterte den Einstieg mit wenigen Handgriffen, schabte die letzten Reste der Waben aus und warf sie, zu runden Klumpen geformt, ebenfalls in den Wald.
    Er knickte mehrere der tiefer hängenden Äste der Eschtanne ab. Das Holz war spröde, der Baum so gut wie tot. Schließlich zwängte er sich durch den Spalt. Den Geruch hier drinnen, der an das Wiedergekäute eines Wakudas erinnerte, ignorierte er geflissentlich. Dies war nicht der Moment, um wählerisch zu sein.
    Die Bookenwürmer hatten die Tanne nahezu vollends ausgehöhlt und nur noch einen zentimeterdicken Kernstrang übrig gelassen, der Feuchtigkeit und Nährstoffe transportierte.
    Rulfan zerbrach ihn mit einem Ruck, verteilte einen Teil des Reisigs auf dem von Sägemehl bedeckten Boden und entzündete mit dem Glimmzeug ein rauchiges Feuer. Weitere Äste stellte er rund um das Feuer auf, um sie zu trocknen.
    Hastig stieg er wieder ins Freie und rieb sich die tränenden Augen.
    Starker Wind kam auf. Ein Sturm, eher ungewöhnlich für diese Jahreszeit, näherte sich. Er würde Schnee mit sich bringen, und noch tiefere Temperaturen. Rulfan sprang zitternd auf und nieder. Sowohl Jacke als auch Hose waren schweißnass. Im Freien würde er diese Nacht wohl kaum überleben…
    Die Minuten wollten und wollten nicht vergehen. Es zischte und knackte im Inneren des Baumes, während die letzten Hundert- und Tausendschaften der Würmer verbrannten. Mit steif gefrorenen Fingern zog Rulfan schließlich die verkokelten Zweige heraus und leuchtete mit einem brennenden Ast ins Innere.
    Er war zufrieden. Die Innenschale der Eschtanne war nur leicht angesengt. Die klebrige Wabenschicht, die allmählich aushärtete, hatte sie vor der Hitze des Feuers geschützt.
    Erneut zog er sich ins Freie zurück und wartete im Windschatten des Baumes weitere Minuten, bis sich der Rauch verzogen hatte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, kroch ins Bauminnere und verschloss den Spalt, so gut es ging, mit Hilfe überschüssigen Wabenwachses.
    Der fauchende Sturmwind überdeckte das Zirpen und Wimmern der instinktgesteuerten Bookenwürmer, die noch in ihren letzten Zuckungen die Brut zu retten
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