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135 - In der Falle

135 - In der Falle

Titel: 135 - In der Falle
Autoren: Jo Zybell
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Schutzraums und begann das Schwungrad zu drehen.
    »Zulassen!« Die Leute begannen zu jammern. »Um Gottes willen – das Schott muss dicht bleiben! Draußen könnte alles verstrahlt sein!« Est’sil’aunaara dachte an den Zeitriss auf dem Friedhof, und daran, dass sie aus einem radioaktiv verseuchten Trägerorganismus in einen frischen wechseln konnte, wenn sie schnell genug war.
    Ein paar beherzte Männer warfen sich auf sie. Sie erschlug sie und machte weiter. Endlich öffnete sich das Schott. Ein Hitzeschwall schoss in den Raum.
    Sie stieg glühende Treppenstufen hinauf, wankte durch Schwaden schwarzen Qualms.
    Über brennende Trümmerhalden gelangte sie auf etwas, das einmal eine Straße gewesen war. Jetzt war es eine schmale Bresche zwischen rauchenden Trümmern und glühenden Stahlskeletten, die sich in einem Feuersturm bogen. Nach ein paar Schritten stand sie am Rand eines brennenden Kraters.
    Sie kehrte um, rief sich die Lage jener Klinik und des Friedhofs gegenüber in Erinnerung und lief nach Norden.
    Überall brennender Schutt, schmelzende Stahlskelette und glühende Blechhaufen, überall in die Erde oder in zufällig stehen gebliebenen Mauerresten eingebrannte schwarze Konturen menschlicher Körper. Sie hätte nicht gedacht, dass die Primärrassenvertreter so weit gehen würden, um der Bedrohung zu begegnen. Sie waren eben doch kaum mehr als Tiere…
    Durch diese Wüste aus Glut, Qualm, Trümmer und Tod gelangte sie zu dem Friedhof. Sie erkannte ihn an den glühenden Überresten von Panzern und Geschützen vor der Zufahrt; und an der Einfriedungsmauer. Seltsam: Die Mauer, die Tote und Lebende trennen sollte, hatte dem Inferno auf einer Länge von mehreren hundert Metern widerstanden.
    Sie kletterte über die Mauer und lief zum Zentrum des Friedhofs. Ein Nackter schloss sich ihr an, ein Mann, halb verkohlt und über und über mit Brandwunden bedeckt. Es war Ora’leq’tarquan.
    »Was ist ›Projekt Daa’mur‹? Ich kann mich nicht erinnern!«, sagte er.
    Eine seltsame Frage, angesichts der Zerstörung ringsum.
    Waren Ora’leq’tarquans Sinne verwirrt? Est’sil’aunaara sah ihn an. »Was ist los mit dir? Du bist schwer verletzt…«
    Kein Zweifel – Ora’leq’tarquan war nicht mehr Herr seiner Sinne. Er ging weiter, wankte zwischen Gräbern und Zypressen hindurch bis zu einer Wiese. Est’sil’aunaara folgte ihm.
    Mitten auf der Wiese stand ein verchromter Tisch. Daneben eine Maschine, an deren Seite ein Glaskonus hing. In dem Konus bewegte sich ein Blasebalg auf und ab. Ein Würgreiz überfiel sie, das Atmen fiel ihr plötzlich schwer.
    Über der Pritsche schwebte eine schüsselartige Konsole, die von einem mehrgliedrigen, metallenen Deckenarm gehalten wurde und aus der zahlreiche Schläuche und Kabel herabhingen…
    Auf einmal begriff Est’sil’aunaara: Ora’leq’tarquan war ein Verräter! Ausgehorcht hatte er sie, die ganze Zeit!
    Sie brüllte, wollte ihn anspringen, konnte sich aber plötzlich nicht mehr bewegen. Die Wiese, Ora’leq’tarquan und der glänzende Tisch verschwammen zu einem grauen Nebel. In ihrem Schädel rotierte ein schwarzer Strudel, und auf einmal befand sich das schüsselartige Ding mit den vielen Kabeln direkt über ihr. Unter ihrem Körper spürte sie eine harte Fläche.
    Ein schwarzes Gesicht schwebte über ihr. Sie sah dunkle Augen und sehr weiße Zähne hinter halb geöffneten Lippen.
    Lächelte das Gesicht? Drohte es? War es das Gesicht eines Feindes? Die Mimik blieb ihr ein Rätsel. Sie schloss die Augen. Wer ist das? Wo bin ich? Was ist geschehen… ?
    ***
    Karpaten, Anfang April 2521
    Viele Tage lang sind sie gefahren, sehr weit, und immer in die Richtung, wo die Sonne aufgeht. Wenn sie nicht schläft, denkt Ann an Canada, an ihre Mom, an ihren Dad und an Berlin und all die Menschen dort, die sie liebt. Oder sie erzählt sich Geschichten. Oder sie lässt Johaan Geschichten erzählen.
    Tubal redet nicht viel, wirklich nicht, aber sie ist in Ordnung. Gibt ihr Wasser, wenn Ann Durst hat, stoppt den Wagen und bereitet ihr Essen, wenn sie Hunger hat. Ihren wirklichen Namen kann Ann sich nicht merken; zu lang, zu komisch.
    Heute gibt es Fisch zum Frühstück. Sie sitzen neben dem Wagen im Gras. Es ist kühl, und Ann hat sich in ein Fell gewickelt. Einen Steinwurf entfernt rauscht ein Gebirgsfluss.
    Aus ihm hat Tubal die Fische gefangen; ohne Angel, ohne Netz, mit bloßen Händen. Ann bewundert die Frau mit dem Lederharnisch und dem langen schwarzen Haar ein
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