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1313 - Der falsche Engel

1313 - Der falsche Engel

Titel: 1313 - Der falsche Engel
Autoren: Jason Dark
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Gehsteig und fühlten uns wie zwei Menschen, die eine Insel erreicht hatten.
    »Wen haben Sie verraten?«
    Lorna wollte mich bei ihrer Antwort nicht ansehen. Sie schaute auf eine graue Hauswand, in der selbst die Fensterscheiben grau wirkten und auch die Gesichter der Menschen, die dahinter zu sehen waren, denn die beiden Fenster gehörten zu einem Friseurladen.
    »Meine Familie. Meine Beschützer.«
    »Aha. Vater, Mutter und…«
    »Nein, nein. Mit denen habe ich keinen Kontakt mehr. Meine Familie ist eine andere.«
    »Und welche?«
    Sie schüttelte schnell den Kopf. »Nicht hier, John, bitte nicht hier. Lassen Sie uns woanders hingehen.«
    »Damit habe ich keine Probleme. Wohin?«
    Plötzlich sah ich sie lächeln. »Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt hier eine kleine Gartenanlage. Da haben die Leute ihre Parzellen. Nahe der Bahn.«
    »Wollen Sie dorthin?«
    »Gern.«
    »Warum?«
    »Weil ich mich da sicherer fühle. Und Sie werden doch sicherlich bei mir bleiben – oder?«
    »Das denke ich schon. Schließlich haben wir uns nicht grundlos getroffen.«
    »Ich freue mich auch darüber.«
    Von Lorna Peel ließ ich mich führen. Ihre Worte hatten mich sehr wachsam gemacht, und so schaute ich mich heimlich sehr genau um, als wir gingen. Mir fiel nichts Verdächtiges auf, aber ich steckte auch nicht in Lorna Peels Lage.
    »Darf ich mal fragen, wie Sie überhaupt auf mich gekommen sind?«
    »Ja, ich habe was in der Zeitung über Sie gelesen, John. Das ist etwas länger her, doch ich habe es nicht vergessen. Und jetzt habe ich mich wieder daran erinnert.«
    Ich lächelte. Das klang glaubhaft. Hin und wieder konnte ich es nicht vermeiden, dass mein Name in der Zeitung stand. Besonders bei Fällen, die spektakulär waren.
    »Reicht das?«, fragte sie.
    »Für den Augenblick schon.«
    »Dann wollen wir jetzt gehen.«
    »Zu diesem Garten?«
    »Es bleibt dabei.«
    Ich schaute auf ihre roten Stiefel. Trotz der hohen Absätze konnte sie darin gut laufen. »Und in dieser kleinen Gartenanlage fühlen Sie sich sicher?«
    »Es ist besser als hier.«
    »Warum? Ich kenne sie zwar nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass sie unübersichtlicher ist.«
    »Als Kind war ich oft dort.«
    »Mit Ihren Eltern?«
    »Nein, mit meinen Großeltern. Bei ihnen bin ich aufgewachsen. Meine Eltern haben sich getrennt. Das waren noch welche aus der Hippie-Generation. Wenn Sie mich direkt fragen, würde ich sie als bindungsunfähig bezeichnen. Es war schon besser, dass sie sich getrennt haben.«
    »Leben Ihre Großeltern denn noch?«
    »Nein, leider nicht mehr«, sagte sie traurig. »Ich habe mich allein durchgeschlagen.«
    Ich sah ihr an, dass sie sich nicht weiter über ihre Vergangenheit auslassen wollte, und stellte deshalb keine Fragen. Nachdem wir etwa hundert Meter gegangen waren, lenkte Lorna Peel ihre Schritte in eine schmale Gasse hinein.
    Ihr Ende war gut zu sehen, denn dort war eine Brücke, über die soeben ein Zug rollte. Vor der Brücke senkte sich die schmale Straße etwas, und Lorna sagte: »Dahinter sind wir am Ziel.«
    »Bei den Gärten?«
    »Ja.«
    Die schmale Straße wurde nur recht wenig befahren. Trotz des trüben Wetters spielten Kinder im Freien. Zumeist hielten sie sich auf den Gehsteigen auf. Fenster standen weit offen. Stimmen waren ebenso zu hören wie Musik oder die Geräusche aus den laufenden Fernsehern.
    Sie schluckten auch die Geräusche der Schritte, die von den Absätzen der Stiefel hinterlassen wurden. Lorna sagte jetzt nichts mehr. Sie hielt den Kopf gesenkt und beobachtete ihre Schuhe. Mir fiel erst jetzt auf, dass sie keine Handtasche bei sich trug, und als wir unter der Brücke hergingen, blieb sie plötzlich stehen.
    Ihren Rücken drehte sie der Wand zu, schaute mich direkt an und fragte: »Kennen Sie das Lauern im Dunkeln, John?«
    Ich war wegen der Frage leicht verunsichert und sagte deshalb:
    »Nicht wirklich.«
    »Aber ich.« Sie zog die Schultern hoch wie jemand, der friert.
    Meiner Ansicht nach war sie auch zu dünn angezogen. Als hätte sie fliehen müssen und einige Teile vergessen.
    »Aber ich kenne es.«
    »Erzählen Sie?«
    Lorna bewegte ihren Kopf. »Es ist nicht einfach, John. Man muss es spüren. Es ist der Verfolger. Das Lauern im Dunkeln. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
    Es war ein Rätsel, über das ich nachdenken sollte. Ich schob es zunächst mal vor mir her, denn meine Gedanken drehten sich um einen anderen Punkt. War es möglich, dass sich eine Macht Lorna ausgesucht hatte, um mir
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