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1306 - Hexenbalg

1306 - Hexenbalg

Titel: 1306 - Hexenbalg
Autoren: Jason Dark
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durch den frisch gefallenen Schnee auf die beiden dunklen Umrisse der Bauten zu.
    Er lauschte den knirschenden Geräuschen, die bei jedem Schritt entstanden. Er sah den hellen Atem vor seinen Lippen und merkte schon, dass die Kälte in sein Gesicht biss. So war er froh, seine Wollmütze über den Kopf gestreift zu haben. Der Bart bedeckte die untere Hälfte, das graue Haar wuchs so lang, dass die Mütze es kaum bändigen konnte, und um seinen Hals hatte er einen Schal gewickelt. Der Weg zum Stall war nicht mehr zu sehen. Er war vom Schnee bedeckt. Aber der Bauer kannte sich aus. Er hinterließ Spuren. Das brachte ihn wieder auf die Idee, nach anderen zu suchen. Er entdeckte keine, was ihn trotzdem nicht beruhigte. Wenn es jemand darauf anlegte, in den Stall einzubrechen, konnte er es auch von der anderen Seite her versuchen. Dort wollte Schwaiger nicht nachschauen.
    Das Tor zum Stall war nicht abgeschlossen. Es reichte ein alter Holzriegel, der vorgeschoben werden konnte.
    Vinzenz blieb stehen, als er den Eingang erreichte. Sein Blick streifte den Riegel. Alles war in Ordnung. Hier hatte niemand versucht, den Stall zu betreten.
    Er zog den Riegel auf, ließ die Tür aber noch geschlossen und drehte sich ein letztes Mal um.
    Von dieser Stelle aus hatte er eine perfekte Sicht. Er sah die hohen Berge weiter südlich wie vereiste Schatten gegen den dunkelblauen Himmel ragen. Er genoss dieses Bild, obwohl er es schon kannte, aber es war wichtig für ihn, seine Heimat auch in der Dunkelheit zu sehen. Sie bot ein prächtiges Panorama. Eine Welt des Schweigens, eingepackt in die Dunkelheit der Nacht. Und die wenigen Lichter, die an den Hängen bis fast unter die Gipfel schimmerten, sahen aus wie vom Himmel gefallene Sterne, die auch der Schnee nicht hatte löschen können.
    Ein sentimentales Gefühl überkam ihn. Er versuchte, es zu erklären. Da war etwas von Abschied nehmen, von einem letzten Anblick, der ihn seit seiner Kindheit begleitet hatte. Vom allmählichen Beenden bis hin zum endgültigen Sterben.
    »Quatsch«, murmelte er, »du bist doch kein altes Weib. Reiß dich mal zusammen.«
    Er versuchte es auch. Doch die schwermütigen Gedanken wollten nicht weichen. Die Strickhandschuhe zog er nicht aus, als er nach dem kalten Eisen fasste, um den Riegel zurückzuziehen. Jetzt war die Tür offen.
    Er musste sich trotzdem anstrengen, denn der Schnee wollte sie stoppen, als er nach außen zog. Die Tür schleifte über den Boden hinweg. Warme Luft empfing ihn. Sie enthielt einen Geruch nach Stroh und Tier. Er kannte ihn. Jahrelang hatte er sich daran gewöhnt. Es gab Tage, da nahm er ihn gar nicht mehr wahr.
    In dieser Nacht war es anders. Er hatte das Gefühl, ihn intensiver wahrzunehmen als sonst. Er kitzelte in seine Nase hinein, aber er störte ihn auch.
    Etwas hatte sich dort hineingemischt. Etwas Fremdes, das er zunächst erschnüffeln musste.
    Was war das?
    Schwaiger blieb bei der Tür stehen. Er hatte den Stall zwar betreten, sah allerdings noch immer aus wie jemand, der sich auf der Flucht befand und darauf wartete, dass etwas passierte.
    Es geschah nichts…
    Und trotzdem war es anders. Eigentlich hätte er das Licht einschalten müssen, was er immer tat, es war nur komisch, dass er es sich in dieser Nacht nicht traute.
    Etwas störte ihn…
    Es konnte nur der Geruch sein, das Fremde darin. Und noch etwas kam ihm seltsam vor.
    Normalerweise meldeten sich die Pferde, wenn er den Stall betrat. Das war nicht der Fall. Sie schliefen tief und fest. Auch das störte ihn irgendwie, weil es nicht normal war.
    Er holte Luft.
    Er schmeckte sie.
    Da war der andere Geschmack, der sich nicht wegdiskutieren ließ. Er lag in seinem Mund, breitete sich auf der Zunge aus, klebte in der Kehle fest und ließ ihn misstrauisch werden.
    Der Stall vor ihm war recht groß und für viele Pferde geschaffen.
    In diesem Fall hielten sich nur die beiden alten Tiere darin auf. Die Boxen reihten sich rechts von ihm auf. Davor lag ein Gang, und an der linken Seite lag das Heu, stand Kraftfutter, waren die Eimer ineinander gestapelt, lagen die Schläuche zusammengerollt und dazu noch einige Werkzeuge.
    Alles normal…
    Er räusperte sich. Er wollte den Namen seiner Pferde rufen, doch das schaffte er nicht. Der Bauer spürte den Druck, der ihn voll und ganz einnahm, und er hatte den Eindruck, sich nicht mehr im eigenen Stall zu befinden, sondern in einer fremden Umgebung, die ihm nicht geheuer war.
    Um die Tiere zu sehen, musste er den Kopf nach
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