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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
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hochgekommen inzwischen. Als er damals, ziemlich über Nacht, weggegangen war, hatte sie sich noch als Gemeindeschwester in der Stadt von morgens bis abends abgerackert, immer mit dem Rad unterwegs, bei Wind und Wetter. Sie hatte es weiterbringen wollen, und er hatte nie daran gezweifelt, daß es ihr gelingen würde. Später war sie Betriebsfürsorgerin in der Fabrik des Herrn Ess gewesen, der ihr dann, als er dies Sommerhaus in ein Kinderheim umwandelte, die Leitung übergeben hatte. Ganz selbständige Arbeit. Feiner Posten!
    Don Chaussee wollte bestätigend mit dem Kopf nicken, aber da brachte sich sein Kater schmerzhaft in Erinnerung, und er ließ es lieber bleiben. Statt dessen betrachtete er — vorsichtig kauend, weil ihm selbst die Zähne weh taten — Frau Marthas Schützlinge. Rechts saßen die Jungen, links die Mädchen. Alle waren für den Kirchgang angezogen, dunkel, sehr dauerhaft, die Jungen mit weißen Hemden, die Mädchen mit weißen Kragen und Manschetten. Nur zwei, ein Junge und ein Mädchen gleich neben seiner Frau, waren bunter, ja sogar elegant gekleidet. Es waren Gerda und Ferdi Ess, Enkel des alten Herrn Ess, die während der Abwesenheit ihrer Eltern einige Wochen hier verbringen sollten.
    Die dreizehnjährige Gerda sah unangenehm aus: Über schwarzen, blasierten Augen lagen schwere Lider, die schon jetzt dazu neigten, sich spöttisch zu senken. Obwohl Frau Martha sie mehrmals betont freundlich ansprach, gab sie nur knappe oder auch gar keine Antworten und hielt sich sowohl von der Leiterin wie auch von den Kindern des Heimes fern. Der neunjährige Ferdi war ein strich-dünner, blasser und offensichtlich verwöhnter kleiner Kerl, der sich gelangweilt auf seinem Stuhl rekelte.
    Don Chaussee fühlte sich nicht gerade spontan zu ihnen hingezogen. Er hatte seit seiner Ankunft hauptsächlich geschlafen und sich ein wenig die Gegend angesehen. So kannte er die Kinder nur dem Namen nach. Der Dicke mit dem Borstenschädel und den wulstigen Lippen, der trotz wiederholter scharfer Rügen beim Essen schmatzte und den Schwester Monika schon gewohnheitsmäßig nur »Du Faultier« nannte, war Leo. Er hatte kleine, tückische Schweinsaugen und war vierzehn. Neben ihm saß, gleichaltrig, aber schmaler, mit lodernd roten Haaren und einem Gesicht, das fast braun war von Sommersprossen, Hubert. Nase und Mund hatten einen verstockten, bockigen Zug. Andreas, der nächste, war überlang für seine zwölf Jahre, schwarzhaarig und beinahe grünlichblaß. Der Mund war ein starrer Strich, die Backenknochen traten hervor, am mageren Hals war der Adamsapfel deutlich sichtbar. Sein Anzug saß spack und war überall zu kurz; Knie und Ellenbogen hatten sich fast durchgescheuert. Sein Gesicht fiel Don Chaussee zuerst auf, weil es sich wie eine ausdruckslose, eingefrorene Maske ansah, die nicht zu seinem Alter passen wollte. Es war das Gesicht eines Menschen, dem es nie in den Sinn kam zu lachen. Ebenso ernst, wenngleich kindlich-runder, hockten die »Kletten« auf ihren erhöhten Sitzen: Bernd und Bubi, knapp sechsjährige Zwillinge, die immer und überall zusammen auftauchten. Don Chaussee sah, wie sie sich unter dem Tisch krampfhaft bei den Händen hielten. Ihre Teller waren bis auf den letzten Krümel leergeputzt.
    Neben Schwester Monika, die mit einer Art lustloser Geduld den lustlos essenden Uwe fütterte, saß die achtjährige Malwine. Don Chaussee überlief eine Gänsehaut. So was von einem häßlichen kleinen Mädchen war ihm noch nie begegnet: ein weißliches Gesichtchen mit blaßblauen, fürchterlich schielenden Augen, weißliche Haare, mit Wasser stramm zurückgekämmt und zu einem dünnen Zöpfchen geflochten, an dessen Ende eine schrillrote Taftschleife prangte. Uff! Don Chaussee stöhnte — teils über den Nebel, der trotz Kaffee und kalter Dusche in seinem Kopfe wogte, teils über die horrende Geschmacklosigkeit, an diesen kaum fingerdicken, fingerlangen Zopf einen solchen Knall von einer Schleife anzuhängen.
    Neben ihr saß, mit einem Gesicht, aus dem die Bosheit nur so funkelte, die dreizehnjährige Änne, der sich Frau Martha gerade zuwandte. »Du hast heute Küchendienst, Änne, vergiß das gefälligst nicht wieder! Um Punkt elf bist du aus der Kirche zurück. Die Bummelei auf dem Rückweg muß aufhören! Wer im Leben etwas werden will, muß sich zuerst daran gewöhnen, pünktlich zu sein .« Sie sah nicht, wie Änne die Lippen schürzte und ihr einen bösen Blick zuwarf. Und nur Don Chaussee hörte, weil
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