Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
Vom Netzwerk:
er ihr gerade auf den Mund sah, das gemurmelte: »Wieso will ich denn ?«
    Frau Martha teilte bereits der ältesten der Runde, der fünfzehnjährigen Franziska, ihre Arbeit zu: »Du bist mir dafür verantwortlich, daß die Betten heute korrekter gemacht sind als am letzten Sonntag! Wenn ich sage, die Decken sollen am Fußende zusammengefaltet und auf Kante gelegt werden, dann meine ich das wörtlich. Die Schluderei, die du den andern und dir selbst durchgehen läßt, dulde ich nicht länger. Wer die Decken wieder unordentlich faltet, kriegt keinen Pudding .«
    Franziska warf die dicken braunen Zöpfe zurück und lachte scheppernd: »Da können Sie meinen man sofort streichen; die Jüngens hören ja doch nicht auf mich .«
    »Wer mit fünfzehn noch keine Autorität hat, wird niemals etwas im Leben«, entgegnete Frau Martha entschieden, »und nun macht voran; Hubert und Leo wollen abdecken .«
    Daß Hubert und Leo gerade das nicht wollten, war deutlich von ihren Mienen abzulesen, nur schaute niemand hin. Es war ja auch egal, ob sie wollten oder nicht; was Frau Martha anordnete, wurde auf jeden Fall getan.
    Don Chaussee schob den Teller mit dem erst halb gegessenen Brot von sich, ohne auf den verweisenden Blick seiner Frau zu achten. Er hatte keinen Appetit. Jeder Bissen würgte ihn. Dieser vermaledeite Kater!
    Unbehaglich sah er sich um, versuchte sich gewaltsam abzulenken. Das eingeschossige Haus lag auf einem hellen Sandhügel; es war ganz mit senkrechten Holzrippen verkleidet, die abwechselnd rot und gelbweiß gestrichen waren. Der mächtige mittlere Wohnraum sprang mit dreien seiner acht Ecken auf die Terrasse vor, die ihrerseits der Front breit vorgelagert war. Seitlich und nach hinten schlossen sich die Schlaf- und Wirtschaftskammern an. Der Mitteltrakt ragte auch nach oben über die Zimmer vor und endete in einem Glockentürmchen mit einer goldenen Kugel auf der Spitze. Die Terrasse war groß genug zum Tanzen — ein Wohnraum im Freien, auf dem sich früher das ganze Sommerleben der Familie Ess abgespielt hatte. Nach vorn sah man kilometerweit über das Land mit seinen Feldern und verstreuten Bauernhöfen, das jetzt, vom ersten süßen Flaum des Altweibersommers übersponnen, in herbstlich warmen Farben dalag. Eine grüne Holzbrüstung mit dichtem Ge-ranke wilder Rosen und eine luftige Pergola, von der Blumenampeln pendelten, trennten sie seitlich vom Buschwerk des Parks: ein unbeschreiblich schöner, heiterer Ort.
    Hier fand er, von der immerwährenden Unrast zurückgetrieben, seine Frau wieder, und fand sie erstarrt in einem starren Räderwerk: Hubert und Leo decken ab, Änne macht Küchendienst, Franziska räumt die Zimmer auf, Andreas hackt Holz. Eintönig, pünktlich, nützlich. Ihm war alle Tage unbehaglich zumute gewesen, doch hatte der Widersinn ihn nie so lähmend gepackt wie an diesem milden Septembersonntag, dessen stille Luft nur hin und wieder durchzittert war vom fernen Klang der Kirchenglocken aus dem Dorf.
    Und doch — hatte Martha nicht recht, wenn sie den Kindern frühzeitig eiserne Pflichterfüllung beibrachte? Sie erzog? Die würden im Leben unbeirrbar ihren Weg gehen, nicht suchend und stets versagend wie er. Etwas werden im Leben! Ach ja. Das hatte er versäumt. Martha hatte es geschafft. Trotz des peinigenden Brodelns im Gehirn schüttelte er resigniert den Kopf. Er hatte den Anschluß verpaßt, als er so alt gewesen war wie diese Jungens hier, damals, als er aus dem Waisenhaus davonlief.
    »Iiiiiiih!«
    Ein spitzer, piepsender Schrei riß ihn aus seinen Überlegungen. Malwine reckte den dünnen Zeigefinger auf das Rosenbeet gleich vor der Terrasse, in dem sich etwas Dunkles, Unförmiges bewegte. »Ein Tier — iiih !«
    Weckte dieser Schrei die anderen aus ihrer mürrischen Lethargie auf, so rief der nächste ein Chaos hervor, wie Don Chaussee es selbst im wildesten Westen nicht schlimmer erlebt hatte, »‘n Esel!« brüllte Leo.
    Frau Martha erfaßte nur eins: »In den Rosen !«
    Und als sei aus einem übervollen, gärenden Faß jäh der Stöpsel entfernt und lasse den Inhalt schäumend hinausspritzen, so brachen nun plötzlich Ordnung und starre Wohlerzogenheit. Stühle fielen polternd um. Blechtassen klirrten, Hubert verschwand wie eine rote Katze einfach 1 über die Brüstung, Änne sprang hinterher, Franziska, Leo und Gerda fegten die Stufen hinab, über die Kletten weg, die sich überschlugen, hinunterkollerten und, eng aneinandergepreßt, aus mehreren Schürfwunden blutend,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher