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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
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Augen überzog ein trüber Schimmer von Verstörtheit. Er seufzte und machte sich auf die Suche nach den Eseln, lockte sie aus dem Gebüsch, redete ihnen freundlich zu, zog sie energisch hinter sich her oder trieb die Flüchtenden geschickt auf die schmale Wiese hinter dem Schuppen. Auf die gleiche Wiese, auf die er sie vor wenigen Stunden schon einmal gebracht hatte, schwankend von Bier und Rauch und Stammtischseligkeit.
    Mit dem Auftauchen jenes ersten Esels im Rosenbeet war der Katernebel entzweigerissen, und was er heute morgen einfach vergessen hatte, stand ihm nun übergrell vor Augen: wie Dr. Kösters den »glänzenden« Einfall hatte, Don Chaussee mit Bennekamps Eseln zu beglücken, wie sie allesamt fröhlich durch die Nacht zum Güterbahnhof zogen, wo Müller vor Bestürzung und zur ungeheuren Gaudi aller den Schluckauf bekam und kaum sprechen konnte, wie sie in Sturm und Dunkelheit beim Flackern einer Petroleumlampe die erschrockenen Esel ausluden und aneinanderbanden, wobei der Bürgermeister fast gebissen worden wäre und sich zurückspringend auf einen Haufen spitzer Schottersteine setzte, wie sie ihm noch bis an den Dorfrand das Geleit gaben — singend, gestikulierend, lachend; wie er selber, sich an der Spitze einer tausendköpfigen Herde wähnend, heimgestolpert war: »Hee — olé! On you go! Olé!« und wie er dann vergessen hatte, das Wiesentor zu schließen.
    Das Mittagessen war nie eine erfreuliche Angelegenheit, und heute war es noch unerfreulicher als sonst. Frau Martha sah nur von ihrem Teller auf, um einen knappen Verweis zu erteilen; die anderen saßen pflasterbeklebt in ihren Alltagskleidern da und löffelten schweigend.
    »Franziska, bring die Kleinen zu Bett. Die Jungens machen sofort ihre Schularbeiten. Wehe, wenn sich einer bis zum Kaffee draußen blicken läßt! Malwine und Änne haben Spüldienst. Gerda hilft wohl !« Das war der Schlußpunkt unter die muntere Mahlzeit.
    Don Chaussee verschränkte die Hände auf dem Rücken und vertiefte sich mit Inbrunst in die Sprüche auf dem Sofa: »Und wenn es schön gewesen, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen. Ps. 90 .« — »Wer dem Müßiggang nachgeht, wird Armut genug haben. Spr. 28, 19 .« — »Wer arbeitet, dem ist der Schlaf süß. Pred. 5, 11 .« Hinter ihm sagte Gerda schnippisch: »Ich bin mit Ulrike verabredet.«
    Sofort sagte seine Frau: »Tu, was du magst, mein Kind, du bist ja unser lieber Gast .«
    Leo stieß Hubert an. »Unser lieber Gast«, äffte er, einen Stoß Teller jonglierend, Frau Martha leise nach, »der Zieraffe .«
    »Pff — Küchendienst«, hörte Don Chaussee Hubert zurückzischen, »hat die nicht nötig .«
    »Vül zu vornööhm zu«, säuselte Änne boshaft und so, daß Franziska laut losplatzte und prompt geohrfeigt wurde, während sie selbst wieselflink in der Küche verschwand. Franziska heulte.
    Gerda lachte kurz und spöttisch auf. Sie hatte nichts lieber, als wenn sich das ganze Pack ihretwegen ordentlich in die Haare geriet. Es war scheußlich ordinär hier, und nur ihr Großvater konnte auf die Idee kommen, sie vierzehn Tage lang mit diesem Gesindel zusammenzusperren. Und ihr auch noch Arbeit zumuten! Wo ihr Großvater sowieso alles bezahlte. Unverschämtheit!
    Don Chaussee wurde es heiß vor Unbehagen zwischen den Sprüchen vor und dem Gezänk hinter sich. Was ihn am meisten störte, war das Leise, Unterdrückte, das Flüstern und Zischen hinter dem Rücken seiner Frau. Sowie sie sich umdrehte, war alles stumm. Es nahm ihm die Luft zum Atmen.
    »Kommst du mit in den Garten ?« Frau Martha tippte ihn an. Es klang durchaus nicht nach einer Frage. Er wandte sich um und ging neben ihr hinaus.
    Schweigend schritten sie über die Terrasse, die vier breiten Stufen hinab, auf das Rosenbeet zu, das erbärmlich aussah. Niedergetrampelte Stöcke, abgeknickte Blüten. Die Blätter — dunkelrot und gelb und rosa — waren unter die aufgewühlte Erde gemischt, wo sie wie Papierschnitzel, wie Abfall auf dem Rummelplatz aussahen. Es war das einzige Blumenbeet des Parks gewesen. Frau Martha pflegte es Herrn Ess zuliebe und auch, weil man es von der Landstraße aus sah. Im allgemeinen gab sie nichts um Blumen. Betont langsam schritt sie weiter, alle Wege des Parks auf und ab. Ihre Lippen waren aufeinandergepreßt und zitterten vor unterdrückter Erregung. Sie schwieg. Der Park, eigentlich ein Stück sorgsam gestutzter Wildnis, war unter Frau Marthas Anleitung von den Jun-gens in korrekteste Ordnung gebracht worden.
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