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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
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Das Gras auf den Wegen war ausgerupft, bis sie wie nackt aussahen zwischen der Heide, die Büsche waren aller weitausladenden Zweige beraubt, die Rasenflächen mit Rabattenziegeln eingefaßt. Die Treppen, ursprünglich aus holzgefaßten Rasenplaggen, waren zementiert und hatten grün gestrichene, glatte Geländer. Von all dieser kühlen Ordnung war freilich nichts mehr übrig: zersplitterte Ziegel, eingestürzte Geländer, aufgerissene Wege — ein einziger lodernder Ausbruch hatte sie zerfetzt.
    Frau Martha schwieg immer noch. Don Chaussees Hand krampfte sich in der Hosentasche um Pfeife und Tabaksbeutel. Mit einer Pfeife waren solche peinlichen Momente besser durchzustehen, doch er wagte nicht, sie anzustecken. Martha mochte keinen Pfeifenqualm. Machte die Gardinen schmutzig. Roch nicht gut. Er seufzte verstohlen.
    »Sieh dir das an !« Ihr Kinn und die erbittert dreinblickenden Augen wiesen die Richtung. Ein Teil des Parks war von den Kindern geordnet und umgegraben worden zu einem Nutzgarten. Frau Martha hatte hier Kartoffeln gepflanzt, die bis heute morgen noch im Boden gesteckt hatten. Nachdem die Esel ein paarmal mit ihren Verfolgern darüberhin gejagt waren, blieb zum Herausholen nicht mehr viel übrig. Und von den vielen Flaschen, die, mit dem Hals in die Erde gerammt, die Beete abgeteilt hatten, waren nur noch die Scherben aufzulesen.
    Don Chaussee sah es sich an.
    Ihn schauderte. Nicht so sehr vor den Zerstörungen als vor den schütteren Kartoffelreihen, dem geschossenen Wirsing und dem verschrumpelten Rotkohl, dem klaffenden, holzigen Kohlrabi und dem Möhrenbeet, das aussah, als hätten sich alle durch Frau Marthas Sauberkeitsstreben aus dem Haus vertriebenen Motten von seinem Grün gemästet. Überall sah heller, gelber, magerer Heideboden durch.
    »Mein Garten — mein schöner Garten.« Es klang erstickt. »Wieviel Mühe hat es gekostet, ein Stück Nutzland zu schaffen! Hier« — sie bückte sich, einen fingerdünnen Stock mit ein paar kümmerlichen Ästchen aufhebend — »ein Reineclauden-Baum, einjährig; nächsten Sommer hätte er schon getragen! Und da...«
    Don Chaussee hörte bereits nicht mehr hin. Auf dem Boden wuchsen weder Kartoffeln noch Reineclauden, nur sag’ ihr das mal einer, dachte er. Sie war Städterin und verstand nichts davon; natürlich würde sie ihm nicht glauben und todunglücklich sein, wenn er es ihr bewies. Und er wollte sie nicht unglücklich machen, beileibe nicht. Welches Recht hätte ausgerechnet er dazu gehabt? Schließlich konnte jeder Mensch eine schwache Stelle haben, vor allem, wenn er sonst so tüchtig war wie sie.
    »Diese Esel«, sagte sie jetzt gereizt, »keine Stunde bleiben sie mehr hier, verstanden? Das ist das wenigste, was ich erwarten kann, wenn du schon...« Sie brach ab.
    Wenn du schon einfach hier hereinschneist, vollendete er in Gedanken den Satz. Recht hatte sie. Was hatte er eigentlich hier zu suchen? Dabei hatte sie ihm noch keinen Vorwurf darüber gemacht. Am ersten Tag hatte es sogar ausgesehen, als freue sie sich. Wenn sie jetzt nur nicht wieder davon anfing, daß er sich um eine Stellung kümmern solle. Bei Herrn Ess im Büro sei was frei, hatte sie gestern gesagt. Er wollte keine Büroarbeit. Er hielt das Eingesperrtsein nicht aus.
    Hastig begann er ihr zu erklären, daß die Esel nur bis morgen früh hier blieben, bis Bennekamp das Ziel des Transports ermittelt habe und sie hinterdrein schicke. »Es war ein dummer Streich«, sagte er, »aber sie sind auch so erbärmlich mager und heruntergekommen. Man hätte sie nicht im Waggon stehen lassen können. Das mußt du doch selber sagen !«
    Erbärmlich war kaum das richtige Wort. Es war viel zu milde für diesen Haufen Scheußlichkeit, der sich in der hintersten Ecke der Wiese verängstigt zusammendrängte. Graue und braune Flecken sah man schon von weitem. Beim Näherkommen sah man auch Beine, knorpelige, stakelige X-Beine mit dicken Gelenken, die schräg und wirr ineinandergeschachtelt dastanden, je zwei Beine ganz, ganz eng nebeneinander. Darüber sah man hauptsächlich Knochen — weit vorstehend an Brust, Kruppe und Flanken, messerscharf auf dem Rücken. Wie Leder hing die Haut darauf, glattpoliert vom lebenslangen Tragen des Geschirrs, abgeschabt vom Jucken und Scheuern vermilbter Stellen, besät von schlecht vernarbten Wunden und verharschten Striemen. Angetrocknetes Blut von den Schlägen der Knüppel am Morgen. Irgendwo unter den vom Hunger aufgequollenen Bäuchen, am Schwanzende, am
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