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1264 - Der Flug der LOVELY BOSCYK

Titel: 1264 - Der Flug der LOVELY BOSCYK
Autoren: Unbekannt
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hier nicht wiederholen. Ich teile sie nicht. Bully ist Rois Taufpate. Roi kennt ihn von Kindheit an. Den rotblonden Haaren nach könnte Bully Rois Vater sein. Aber das gehört nicht hierher.
    Ich will in diesem ersten Log vor allem über mich selbst berichten. 59 Jahre gibt es mich bereits. Mein Vater ist ein Wissenschaftler, meine Mutter das Produkt einer Gruppe von Ingenieuren. Ich diente von Anfang an als lebendes Schauobjekt und Modell eines ausgestorbenen Menschentyps. Nach mir sollten weitere solche Modelle als Repräsentanten ausgestorbener Rassen wie Indianer, Lappen, Papua etc. zum Einsatz kommen, aber irgendwo und irgendwann fiel eine politische Entscheidung, die das verhinderte. Oder das Ganze ging in jener Zeit unter, in der die Kosmische Hanse ihrer großen Blüte entgegenstrebte.
    Also, ich bin ein Relikt, und man teilte mir mein Arbeitsgebiet auf einer Landkarte aus Plastikfolie mit. Man gab mir einen altertümlichen, aus einheimischem Holz gefertigten Einbaum, und ich bestieg ihn und bereiste in abwechselnder Reihenfolge Hawaii, die Osterinseln, vor allem aber ganz Mikronesien und Polynesien. Ich erhielt meine Hütte auf jeder Insel, erntete meine Kokosnüsse und lebte unter den primitiven Verhältnissen meiner „Vorfahren", die man beinahe unter den Begriff Steinzeitkultur einordnen konnte.
    Als Touristenattraktion hatte ich Pflichten. Ich mußte mich so benehmen, wie es die Polynesier zweitausend Jahre zuvor getan hatten. Ich wurde mit Gleitern von einem Einsatzort zum nächsten gebracht, immer dorthin, wo sich die meisten Touristen aufhielten. Es kam vor, daß man mich mitsamt meinem Einbaum per Antigravstrahl in einen Gleiter hievte und einfach um zweitausend Kilometer nach Südosten versetzte. Man kümmerte sich nicht um meine Gedanken. Niemand konnte sich vorstellen, daß ich mir überhaupt Gedanken machte.
    Das hängt damit zusammen, was ich bin. Ich sage es absichtlich so. Ich bin nicht wer. Ich bin was.
    Und deshalb ist es eine hohe Auszeichnung für mich, daß ich das Log führen darf.
    Nicht weil es wichtig wäre. Das Bewußtsein des Virenschiffs hat eine unbeschränkte Speicherkapazität. Es benötigt kein Log. Und wird die LOVELY BOSCYK eines Tages zerstört, dann nützt auch mein Log nichts. Es wird ebenfalls vergehen. Bis auf das, was ich in mir speichere.
    Ihr wundert euch beim Lesen meiner Aufzeichnungen noch immer? Nun gut. So will euch Jo Polynaise nicht länger auf die Folter spannen.
    Ich bin äußerlich ein Mensch. Ich fühle, denke und handle wie ein Terraner. Und doch bin ich Kind von Wissenschaftlern, Ingenieuren und einer Maschinerie. Ich bin ein biochemisches Produkt, ein künstlich hergestellter Mensch sozusagen.
    Ich heiße Jo Polynaise. Die Zeiten der Touristenattraktion sind vorbei.
    Ich bin ein Vironaut.
    Vielleicht der einzige meiner Art, der zum Vironauten geworden ist. Ich weiß es nicht. Es ist nicht meine Aufgabe, es zu überprüfen.
    Merkt es euch gut. Jo Polynaise ist kein Mensch.
    Ich bin ein Androide mit allen Vorzügen und Nachteilen. Früher war es mein Geheimnis. Viele Touristen hielten mich für echt. Inzwischen besitze ich genug Selbstbewußtsein. Ich habe dem Spuk ein Ende gemacht. Alle Vironauten wissen, daß ich kein echter Mensch bin.
    In meinem menschenidentischen Körper lebt ein künstliches Gehirn mit einem künstlichen Fassungsvermögen. Mein Körper ist leistungsfähiger als der eines Menschen. Alles Dinge, die zu Hochmut Anlaß geben. Nicht so bei mir. Die Zeit im Ozean war eine Zeit der Meditation und der Erkenntnis. Sie war eine Zeit des Hoffens und des Erwachens.
    Als Geschenk war ich ein Kind. Als Touristenattraktion ein Jugendlicher. Erst als Vironaut habe ich das Stadium eines Erwachsenen erreicht.
    Und dazwischen lag die Sehnsucht. Erdenmensch, weißt du, was Sehnsucht ist?
    Viele wissen es inzwischen. Sie haben es an ihrer eigenen Seele erlebt Ein Androide, sagt man, hat keine Seele. Er hat ein künstliches Bewußtsein. Er ist eine Maschine in einer lebendigen Haut. Ein organisches Wesen quasi, in dessen Gehirn ein Werk aus lauter Zahnrädern schnurrt. Ich hasse diese Vergleiche, weil sie nicht stimmen. Ich bin kein Roboter mit einer weichen Haut. Ich bin ein Wesen wie viele andere auch.
    Ich kann mich nur nicht fortpflanzen. Jener Bereich meiner Seele ist nicht vorhanden. Ich empfinde für jeden Menschen Achtung und Zuneigung und Liebe im generellen Sinn. Für eine Frau wie Demeter empfinde ich nichts anderes als für einen Mann wie
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