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1253 - Angst vor dem eigenen Ich

1253 - Angst vor dem eigenen Ich

Titel: 1253 - Angst vor dem eigenen Ich
Autoren: Jason Dark
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normal, John. Das heißt, sie war schon etwas verschlafen, aber das ist auch normal, wenn du es so siehst.« Er räusperte sich. »Jedenfalls kam in mir kein Verdacht auf.«
    »Gut, dann müssen wir wirklich darauf hoffen, dass sie gleich hier erscheint.«
    »Sie hat es zumindest gesagt. Oder muss man davon ausgehen, dass Julie selbst nicht weiß, was mit ihr los ist? Dass ihr gar nicht bewusst ist, eine zweite Astralexistenz zu haben? Das könnte doch auch sein. Oder irre ich mich?«
    »Ja, alles ist drin.« Ich trank noch einen Schluck Kaffee. »Deshalb werden wir auch behutsam zu Werke gehen.«
    Suko, der kurz zur Tür geschaut hatte, hob die Augenbrauen. »Sie kommt, John.«
    Ich schaute zunächst nicht hin. Erst als ich die Schritte hörte, drehte ich mich nach rechts. Da stand Julie Ritter. Sie hatte die Türschwelle bereits überschritten und wirkte etwas verlegen, als sie in den großen Raum schaute und uns am Tisch sitzen saß.
    »Guten Morgen!«, grüßten wir wie aus einem Mund.
    »Ja, Morgen.« Sie gähnte und schüttelte den Kopf, sodass die braunen Haare flogen.
    »Hast du nicht gut geschlafen?«, fragte ich und spielte dabei indirekt auf ihr blasses Gesicht an.
    »Es geht«, erwiderte sie. Dann nickte sie. »Eigentlich habe ich sogar recht gut geschlafen, wenn ich daran denke, was alles hinter uns liegt. Da kann ich nur dankbar sein.«
    »Keine Träume?«
    »Kaum.«
    »Dann trink erst mal einen Kaffee.« Ich deutete auf den leeren Stuhl neben mir.
    »Ja, das werde ich auch tun.«
    Sie gähnte wieder, entschuldigte sich dafür und saß schließlich neben mir.
    Ich schenkte ihr den Kaffee ein, während sie ein Croissant aus dem Korb nahm. Sie trank, sie biss in das Hörnchen, und ihr Blick erhielt einen versonnenen Ausdruck. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist, aber etwas muss passiert sein.«
    »Was denn?«
    »Jja, wenn ich das wüsste«, murmelte sie nachdenklich. Dann sagte sie: »Aber ich weiß es. Nur ist es so wahnsinnig, so verrückt, dass ich darüber nicht reden will. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich es erlebt habe, aber in der letzten Zeit ist es seltener geworden. In der Pubertät war es schlimm und kam öfter vor.«
    »Du solltest es uns sagen«, schlug ich vor.
    Julie Ritter verzog die Mundwinkel. »Nein, ihr habt schon genug Probleme mit mir gehabt. Ich will das nicht noch hinzufügen. Dann haltet ihr mich für völlig verrückt.«
    »Bestimmt nicht«, sagte Suko, »wenn wir davon ausgehen, was uns schon alles widerfahren ist.«
    »Ja, das war Wahnsinn.«
    »Also raus damit!«
    Sie musste erst noch einen Schluck Kaffee trinken. Dann schaute sie zuerst mich, dann Suko an und senkte schließlich den Blick. Um die Verlegenheit zu überbrücken, malte sie mit der rechten Zeigefingerspitze Figuren auf die Tischplatte.
    »In der vergangenen Nacht ging bis auf eine leichte Unruhe ja alles gut, aber dann kam der Morgen. Ich wurde wach, ich ging duschen, ich kam unter der Dusche hervor, ich umwickelte mich mit dem Badetuch, und genau dann passierte es.« Sie senkte die Stimme noch mehr. »Ich kam also in mein Zimmer und sah… und sah, dass ich schon da war!« Ein tiefer Atemzug, das Schnappen nach Luft. »Ja, verdammt!« Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich war schon da, obwohl ich es noch gar nicht richtig betreten hatte.«
    Sie sagte nichts mehr, sondern sackte in sich zusammen und presste ihre Hände gegen die Wangen.
    Sie begann zu zittern, und ich legte ihr einen Arm um die Schultern. Dabei fing ich Sukos Blick auf, der zweifelnd und irgendwie bestätigend zugleich aussah.
    Auch ich musste mich erst fangen und fragte dann mit leiser Stimme: »Du hast dich also im Zimmer gesehen, obwohl du es selbst noch nicht betreten hast?«
    Sie nickte.
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter, John, nichts. Ich sah mich im Zimmer. Ich stand neben dem Bett, und ich schaute mich selbst vorwurfsvoll an. Ja, so ist es gewesen.«
    Ich legte eine Fragepause ein, weil ich sie erst mal nachdenken lassen wollte. Auch ich musste es tun, und natürlich kam mir dabei mein eigenes Erlebnis in den Sinn.
    »Bitte, Julie, verstehe meine Frage nicht falsch. Ich möchte nur wissen, ob du nackt oder angekleidet gewesen bist.«
    »Was? Wie?«
    »Ja, Julie! Ich frage nicht ohne Grund.«
    »Angezogen«, flüsterte sie. »Ich bin angezogen gewesen. Ich stand so, dass ich nach vorn zur Tür schauen konnte. Das habe ich getan. Ich habe mich ja selbst angeblickt. Ich schaute mir ins Gesicht, und der Blick ist vorwurfsvoll
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