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123 - Auf dem Insektenthron

123 - Auf dem Insektenthron

Titel: 123 - Auf dem Insektenthron
Autoren: Susan Schwartz
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zu hören…
    Das Schauspiel war vorüber. Die meisten Leute waren gegangen, auch Hela. Belle rührte sich nicht von der Stelle; in diesem Zustand konnte sie nicht gleich zu Lisi zurück. Sie kämpfte mit der Übelkeit; das Wenige, das in ihrem Magen war, wollte vor Ekel heraus. Alles in ihr war verkrampft, und es schüttelte sie innerlich vor Grauen. Aber sie riss sich zusammen, ihr Gesicht eine versteinerte Miene. Sie würde keine Träne zeigen und sich keine Blöße geben.
    Als sie sich einigermaßen gefasst hatte und gerade gehen wollte, hielt einer der Gehilfen sie auf. »Mostroo will dich sprechen.«
    »Ich kann nicht«,erwiderte Belle, »ich muss zu Lisi. Ich habe sie lange genug allein gelassen. Morgen.«
    Der Mann hielt sie fest, und für einen Augenblick verlor Belle die Fassung. Mit wildem Blick starrte sie den Mann an und fauchte wie eine Katze: »Loslassen. Sofort!«
    Als hätte er sich verbrannt, ließ der Schläger sie los und blinzelte verblüfft.
    »Du solltest wissen, dass man sich nicht mit Belle anlegt«, erklang Mostroos Stimme, und er trat lächelnd in den Kreis des Fackelscheins. »Sie ist eine echte Kämpferin, die niemals aufgibt.« Mit einem Zeichen scheuchte er den Gehilfen fort und kam an Belles Seite. »Das ist genau das, was ich an dir so schätze«, fuhr er mit sanfter Stimme fort und hob die Hand, um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.
    Belle wich zurück, die Augen immer noch wütend funkelnd.
    Mostroo ließ die Hand fallen und lachte. »Schon gut, für diese Nacht gab es genug Kampf.«
    »Warum hast du das getan?«, platzte es aus Belle heraus.
    »Der Einäugige war völlig harmlos. Und wo sollte er schon hingehen? Du hättest ihn einfach ziehen und in der Einöde verdursten lassen können.«
    Mostroo schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht, das weißt du genau. Wenn er nicht zurückkäme, würden Legenden entstehen. Die Leute würden sich Hoffnung machen, dass er das Gelobte Land erreicht hätte. Sie würden selber versuchen, dorthin zu gelangen. Und das werden sie nicht zulassen.«
    »Bist du sicher? Es sind trotz allem nur Insekten. Triebgesteuert. Sie können uns an Intellekt nicht gewachsen sein«, versetzte Belle.
    »Da täuschst du dich. Sie sind gefährlicher, als du dir ausmalen kannst.«
    »Dasselbe gilt auch für dich, Mostroo. Ich glaube, du benutzt die Insekten für deine Zwecke, auf welche Weise auch immer. Was du heute getan hast… werde ich nie vergessen.«
    Er näherte sich ihr, und diesmal wagte sie nicht zurückzuweichen. Sie wusste, dass unter der Maske des unscheinbaren, harmlos wirkenden Gesichts eine grausame Bestie lauerte, die sich am Leid anderer ergötzte und kein Mitleid kannte. Zu sehr durfte sie ihn nicht herausfordern und seine Nähe zumindest für einen kurzen Moment gestatten.
    »Hast du es gewusst? Immerhin war er dein Freund. Du nimmst nicht bei allem so viel Anteil wie heute.«
    »Ich bin hier, nicht wahr?« Sie hielt seinem Blick furchtlos stand. Sie war wütend auf sich selbst, die ganze Zeit so feige gewesen zu sein und Mostroo gewähren zu lassen. Erst jetzt widersprach sie ihm, wo alles vorbei und er zufrieden war. Wo sie beide ganz allein waren und sie wusste, dass er ihr den Widerspruch gestattete, weil es ihm gefiel, ihn reizte, aber dass es nichts ändern würde. »Ich hoffe, du willst mir nichts unterstellen.«
    Sein Gesicht war ihrem nun ganz nahe, und sie rümpfte die Nase, als sein schlechter Atem ihr entgegen wehte. »Es könnte alles besser sein, wenn du endlich zur Vernunft kämst«, sagte er. »Du weißt, was ich will. Sicher könntest du mich öfter zur Milde bewegen, und das käme auch den anderen zugute.«
    Belle drehte den Kopf zur Seite. »Nein, Mostroo. Diese Verantwortung übernehme ich nicht, und ich bin kein Spielzeug. Du würdest mich benutzen, mich erpressen, und es würde nichts ändern. Und wenn du meiner überdrüssig wärst, würde ich genauso wie der Einäugige enden. Bleib du nur weiter allein auf deinem Thron und fühle dich erhaben über alles, was da kreucht und fleucht – ich unterstütze dich dabei nicht, und ich leiste dir auch keine Gesellschaft. Ich kann dich an nichts hindern, denn du bist größenwahnsinnig und nur in dich selbst verliebt. Dafür gebe ich mich nicht her.« Sie hob die Hand, als wollte sie ihn wegschieben. »Und jetzt gehe ich zu Lisi, es ist sehr spät.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte Belle zu ihrer Hütte.
    Sie wusste, dass Mostroo ihr nicht folgen würde.
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