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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht
Autoren: Elizabeth George
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einer wegen Exhibitionismus anzeigen. Herrgott noch mal, Cherokee, denkst du eigentlich nie nach?
    Hier wohnen überall kleine Mädchen. Wenn eine dich so sieht, kreuzen hier binnen einer Viertelstunde die Bullen auf.« Sie runzelte die Stirn. »Hast du Sonnenschutz aufgelegt?«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte er. »Was soll die Ledermontur? Verspätete Rebellion?« Er lachte. »Wenn Mam diese Hose sähe, würde sie total -«
    »Ich trag sie, weil ich sie mag«, unterbrach sie ihn. »Sie ist bequem.« Und ich kann sie mir leisten, fügte sie im Stillen hinzu. Das war beinahe der Hauptgrund: Aus reiner Lust für ein Stück sinnlosen Luxus Geld auszugeben, nachdem sie ihre ganze Kindheit und frühe Jugend hindurch in den Secondhand-Läden die abgelegten Klamotten anderer Leute durchstöbert hatte, um etwas zu finden, das einigermaßen passte, nicht abgrundtief scheußlich war und - darauf achtete sie ihrer Mutter zuliebe - nicht aus Fell oder Tierhaut verarbeitet war.
    »Na klar.« Er sprang auf die Füße, als sie an ihm vorüber zur Veranda ging. »Leder bei einem Santa-Ana-Wind. Das ist doch mal so richtig gemütlich. Und so vernünftig.«
    »Das ist mein Pellegrino!« Sie ließ ihre Fotoausrüstung fallen, sobald sie im Haus war. »Ich hab mich die ganze Heimfahrt darauf gefreut.«
    »Wo warst du denn?« Als sie es ihm sagte, lachte er. »Aha! Aufnahmen für einen Architekten. Reich und schön, hoffentlich? Und zu haben? Das ist ja echt cool. Dann lass dich mal ansehen.« Er hob die Flasche mit dem Wasser an den Mund und musterte China, während er trank. Als er genug hatte, reichte er die Flasche an sie weiter und sagte: »Den Rest kannst du haben. Deine Haare schauen Scheiße aus. Hör endlich auf, sie zu bleichen. Das steht dir nicht. Und fürs Grundwasser sind die Chemikalien, die da durch den Abfluss rauschen, ganz bestimmt nicht gut.«
    »Als ob dich das Grundwasser interessieren würde!«
    »Hey, ich hab gewisse Prinzipien.«
    »Respekt vor anderer Leute Eigentum gehört offensichtlich nicht dazu.«
    »Du kannst von Glück reden, dass nur ich der Einbrecher war«, sagte er. »Wegzufahren und die Fenster offen zu lassen, ist schon ganz schön blöd. Und deine Fliegenfenster sind ein Witz. Für die hat ein Taschenmesser gereicht.«
    China sah, wie ihr Bruder sich Zugang zu ihrem Haus verschafft hatte. Er hatte sich, wie das seine Art war, gar nicht bemüht, seine Spuren zu verwischen. In einem der beiden Wohnzimmerfenster fehlte das alte Fliegengitter, das nur mit Haken und Ösen am Fensterbrett verankert und daher für Cherokee leicht herauszunehmen gewesen war. Wenigstens war ihr Bruder so schlau gewesen, durch ein Fenster einzudringen, das der Straße abgewandt und außer Sicht der Nachbarn lag, von denen jeder sofort die Polizei geholt hätte.
    Mit der Flasche in der Hand ging sie in die Küche, goss das, was von dem Mineralwasser noch übrig war, in ein Glas und warf ein Limettenschnitz hinein. Sie schwenkte es ein paar Mal herum, dann trank sie das Glas leer und stellte es, unbefriedigt und verärgert, ins Spülbecken.
    »Was tust du überhaupt hier?«, fragte sie ihren Bruder. »Wie bist du hergekommen? Hast du dein Auto repariert?«
    »Den Schrotthaufen?« Er ging auf nackten Füßen über das Linoleum zum Kühlschrank, öffnete ihn und wühlte in den Plastikbeuteln voll Obst und Gemüse herum. Mit einer roten Paprika in der Hand richtete er sich wieder auf, ging mit der Frucht zur Spüle und wusch sie gründlich, bevor er ein Messer aus einer Schublade nahm und sie durchschnitt. Er reinigte beide Hälften und reichte die eine seiner Schwester. »Ich hab einiges am Laufen, da brauch ich sowieso keinen Wagen.«
    China biss nicht an. Sie kannte die Art ihres Bruders, sie mit Andeutungen zu locken. »Jeder Mensch braucht ein Auto.«
    Sie legte die Paprika auf den Küchentisch und ging in ihr Schlafzimmer, um sich umzuziehen. In der Lederkluft schwitzte man bei diesen Temperaturen wie in einer Sauna. Man sah zwar toll aus darin, aber man fühlte sich beschissen.
    »Ich hoffe, du bist nicht hergekommen, weil du dir meines ausleihen willst«, rief sie zu ihm hinaus. »Das bekommst du nämlich nicht. Frag Mam, ob sie dir ihres leiht. Ich nehme an, sie hat's noch.«
    »Kommst du zu Thanksgiving runter?«, rief Cherokee zurück.
    »Wen interessiert das?«
    »Rate mal.«
    »Ach, telefonieren kann sie wohl nicht?«
    »Ich hab ihr erzählt, dass ich zu dir fahre, da hat sie gesagt, ich soll dich
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