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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht
Autoren: Elizabeth George
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er endlich aussprach, was auszusprechen er hatte vermeiden wollen.
    Es kam dann auch in einem Wortschwall: »Also, pass auf, die Situation ist Folgende: Ich muss noch eine Woche hier bleiben. Ich habe die Möglichkeit, mit ein paar Leuten über eine Finanzierung zu reden. Ich muss unbedingt mit ihnen sprechen.«
    »Ach, Mensch, Matt, hör doch auf!«
    »Nein, wirklich. Hör mir zu, Baby. Diese Typen haben einem Filmemacher von der NYU letztes Jahr ein Vermögen nachgeschmissen. Sie sind auf der Suche nach einem Projekt. Hast du das gehört? Sie sind auf der Suche!«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hab's gehört.«
    »Von wem?«
    »Also habe ich angerufen, und es ist mir tatsächlich gelungen, einen Termin zu bekommen. Aber erst am nächsten Donnerstag. Deshalb muss ich bleiben.«
    »Dann können wir Cambria vergessen.«
    »Nein, das machen wir auf jeden Fall. Nur nächste Woche geht's eben nicht.«
    »Klar. Wann dann?«
    »Tja, das ist das Problem.« Der Straßenlärm am anderen Ende der Leitung schien einen Moment lauter zu werden, als hätte sich Matt, von den Menschenmengen der Stadt am Ende eines Arbeitstags vom Bürgersteig gedrängt, zwischen die Autos gestürzt.
    Sie sagte: »Matt? Matt?«, und glaubte einen panikerfüllten Moment lang, die Verbindung wäre abgerissen. Verdammte Handys, verdammtes Netz!
    Aber er meldete sich wieder, und es war ruhiger. Er sagte, er sei rasch in ein Restaurant gesprungen. »Für den Film geht es jetzt um alles, China. Wir haben einen Festivalsieger. Mindestens Sundance-Qualität, glaub mir, und du weißt, was das heißen kann. Ich enttäusche dich wirklich nicht gern, aber wenn ich diese Chance sausen lasse, bin ich's nicht wert, überhaupt mit dir wegzufahren. Nicht mal nach Kalamazoo in Michigan. So ist das nun mal.«
    »Na gut«, sagte sie, aber es war gar nicht gut, und das würde er an ihrem ausdruckslosen Ton auch merken. Das letzte Mal hatte er es vor einem Monat geschafft, sich zwischen Kontaktgesprächen in Los Angeles und der Jagd nach Geldgebern kreuz und quer im ganzen Land zwei Tage freizuschaufeln, und davor waren es sechs Wochen gewesen, in denen er sich ohne einen Tag Pause der Verfolgung seines Traums gewidmet hatte, während sie sich in ihrer Verzweiflung in eine ungeplante Telefonaktion gestürzt hatte, um ein paar Kunden an Land zu ziehen. »Manchmal frage ich mich«, sagte sie, »ob du's je auf die Reihe kriegen wirst, Matt.«
    »Ich weiß. Es kommt einem vor, als dauerte es eine Ewigkeit, einen Film ins Rollen zu bringen. Und manchmal ist es ja auch so. Du kennst doch die Storys. Jahre der Vorbereitung und dann - bum! - auf Anhieb ein Riesenerfolg. Und ich möchte das machen. Ich muss es machen. Es tut mir nur Leid, dass wir dadurch kaum noch Zeit füreinander haben.«
    China hörte sich das alles an, während sie einen kleinen Jungen beobachtete, der auf seinem Dreirad den Gehweg hinunterstrampelte, gefolgt von seiner wachsamen Mutter und einem noch wachsameren Schäferhund. Der Kleine gelangte an eine Stelle, wo sich der Beton unter dem Druck einer Baumwurzel aufgewölbt hatte, und das Vorderrad seines Gefährts prallte gegen die Verwerfung. Er versuchte, das Hindernis zu überwinden, aber er war machtlos, bis seine Mutter ihm zu Hilfe kam. Diese Szene rief bei China eine unerklärliche Traurigkeit hervor.
    Matt wartete auf ihre Reaktion. Sie hätte gern eine neue Art des Ausdrucks für ihre Enttäuschung gefunden, aber ihr fiel nichts ein. »Ich habe vorhin eigentlich nicht den Film gemeint, Matt«, sagte sie.
    »Oh.«
    Danach gab es nichts mehr zu bereden. Sie wusste, dass er in New York bleiben würde, um den Termin wahrzunehmen, den er sich so hart erkämpft hatte, und dass sie allein zurechtkommen musste. Wieder ein gebrochenes Versprechen; wieder eine Faust voll Sand im Getriebe des großen Lebensplans.
    Sie sagte: »Also dann, Hals- und Beinbruch für die Besprechung.«
    »Wir bleiben in Kontakt. Die ganze Woche. In Ordnung?«, erwiderte er. »Ist das okay für dich, China?«
    »Hab ich eine Wahl?«, entgegnete sie und verabschiedete sich.
    Sie nahm es sich selbst übel, dass sie das Gespräch so abrupt beendet hatte, aber ihr war heiß, sie fühlte sich elend, mutlos und niedergeschlagen... Man konnte es nennen, wie man wollte. Tatsache war, dass sie nichts mehr zu geben hatte.
    Sie hasste jene Seite an sich, die an der Zukunft zweifelte, und meistens gelang es ihr, sie zu unterdrücken. Wenn sie jedoch mit ihr durchging und die Herrschaft an
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