Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
fragen. Also - kommst du?« »Ich rede mal mit Matt.« Sie hängte die Lederhose und die Weste in den Schrank und warf die seidene Bluse zu den Sachen für die Reinigung. In einem losen Hawaii-Kleid und Sandalen ging sie wieder zu ihrem Bruder hinaus.
    »Wo ist der gute Matt überhaupt?« Er hatte seine halbe Paprika schon gegessen und sich ihre Hälfte vorgenommen.
    Sie riss sie ihm aus der Hand und biss hinein. Das Fruchtfleisch war kühl und süß, half ein wenig gegen die Hitze und den Durst. »Weg«, sagte sie. »Cherokee, würdest du dir bitte was anziehen?«
    »Warum denn?« Er grinste anzüglich und schob ihr sein Becken entgegen. »Mach ich dich an?«
    »Du bist nicht mein Typ.«
    »Was heißt weg?«
    »Er ist in New York. Geschäftlich. Also, ziehst du dir jetzt was über?«
    Mit einem Schulterzucken ging er, und einen Moment später hörte sie die Fliegengittertür hinter ihm zuschlagen. In der muffigen Besenkammer, in der sie ihre Vorräte aufbewahrte, fand sie noch eine Flasche Wasser, goss sich ein Glas ein und gab ein paar Eiswürfel dazu.
    »Du hast überhaupt nicht gefragt.«
    Sie drehte sich herum. Cherokee präsentierte sich angekleidet - wie verlangt - in einem T-Shirt, das vom vielen Waschen eingegangen war, und einer Bluejeans, die tief auf seinen Hüften hing und so lang war, dass die Säume der Hosenbeine den Fußboden streiften. Nicht zum ersten Mal dachte China, als sie ihn betrachtete, dass er wie ein Anachronismus wirkte. Mit den zu langen rotblonden Locken, den schmuddeligen Kleidern, den nackten Füßen und seinem ganzen Auftreten nach hätte er ein verspäteter Hippie sein können. Was ihre gemeinsame Mutter zweifellos mit Stolz erfüllte, bei seinem Vater Beifall hervorrief und bei ihrem Vater Gelächter. Bei China jedoch -ärgerliche Ungeduld. Trotz seines Alters und seines straffen Körpers wirkte Cherokee immer noch so, als wäre er zu verletzlich, um das Leben allein zu meistern.
    »Hey, du hast mich gar nicht gefragt«, sagte er noch einmal.
    »Was denn?«
    »Was ich am Laufen hab. Warum ich kein Auto mehr brauche. Ich bin übrigens per Anhalter gekommen. Aber das ist auch nicht mehr das, was es mal war. Ich bin seit gestern Mittag unterwegs.«
    »Genau deswegen brauchst du ein Auto.«
    »Aber nicht für das, was ich vorhabe.«
    »Ich hab's dir schon gesagt, mein Auto kriegst du nicht. Das brauch ich für die Arbeit. Und wieso bist du nicht in der Uni? Hast du's wieder mal geschmissen?«
    »Ich hab aufgehört. Ich brauche mehr Zeit für die Papers. Das ist ein Riesengeschäft, sag ich dir. Du hast keine Ahnung, wie viele gewissenlose Studenten es heutzutage gibt, China. Wenn ich daraus eine berufliche Karriere machen wollte, könnte ich mich wahrscheinlich mit vierzig zur Ruhe setzen.«
    China verdrehte die Augen. Die Papers waren Prüfungsarbeiten, Hausarbeiten, Aufsätze, gelegentlich eine Magisterarbeit und, bisher, zwei Dissertationen. Cherokee schrieb sie für zahlungskräftige Studenten, die keine Lust hatten, sich selbst zu bemühen. Das hatte schon vor langem Anlass zu der Frage gegeben, warum Cherokee -der auf nichts, was er gegen Bezahlung geschrieben hatte, etwas Schlechteres als eine Zwei bekommen hatte - es nicht schaffte, sein Studium durchzuziehen. Es war nicht mehr zu zählen, wie oft er an der Universität von Kalifornien angefangen und wieder aufgehört hatte. Cherokee allerdings hatte eine simple Erklärung für seine durchwachsene Universitätskarriere: »Wenn mir die Uni für meine Arbeit das Gleiche bezahlen würde wie die Studenten, die mich anheuern, würde ich gern arbeiten.«
    »Weiß Mam, dass du's schon wieder geschmissen hast?«, fragte China ihren Bruder.
    »Ich häng nicht mehr am Gängelband.«
    »Natürlich nicht.« China, die nichts zu Mittag gegessen hatte, merkte, dass sie hungrig war. Sie nahm aus dem Kühlschrank die Zutaten, die sie für einen Salat brauchte, und stellte einen Teller auf den Tisch - ein Wink, von dem sie hoffte, ihr Bruder würde ihn verstehen.
    »Also frag mich endlich.« Er zog einen Stuhl zu sich heran und setzte sich. Aus dem bunten Korb in der Mitte des Tischs nahm er sich einen Apfel und schien erst, als er schon hineinbeißen wollte, zu merken, dass es eine künstliche Frucht war.
    Sie packte den Romanasalat aus und begann, die Blätter zu zerpflücken. »Was soll ich dich fragen?«
    »Das weißt du ganz genau. Du fragst absichtlich nicht. Okay, dann frag ich eben für dich. ›Was hast du denn Tolles vor, Cherokee?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher