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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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Bord zu werfen, bevor der ihn erschoss. Doch das ging nicht, solange Shields ihm die Pistole an den Kopf hielt.
    »Haben Sie Angst zu sterben, Danny?«
    Danny zuckte die Schultern. »Um die Wahrheit zu sagen, ich hätte eigentlich schon vor langer Zeit sterben müssen.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Ich will nicht sterben.«
    Die Mündung der Pistole stieß gegen Dannys linkes Ohr. »Meine Frage war, ob Sie Angst haben zu sterben.«
    »Ich sage Ihnen, was ich glaube. Nicht das Sterben ist schwer, sondern das Leben.«
    Shields’ Unterkiefer arbeitete. »Was wollen Sie damit sagen? Wollen Sie behaupten, ich wäre ein Feigling?«
    »Nein. Ich will damit sagen, das Leben ist kein Zuckerschlecken. Sie schulden Ihrem Jungen alles an Zeit, was Sie ihm geben können, egal in welchem Zustand Sie sind. Ich glaube, er ist stark genug, um mitzuerleben, wie Sie sterben. Er wird leichter darüber hinwegkommen als über diesen Scheiß hier.«
    Shields’ Unterkiefer mahlte, dass Danny glaubte, das Knirschen der Zähne hören zu können. »Sie haben immer auf alles eine Antwort, was? Jedenfalls scheint meine Frau das zu glauben.«
    »Ich habe keine Antworten!«, sagte Danny wütend. »Ich versuche mich durchzuschlagen, genau wie jeder andere. Ich sage nur, dass das Leben Mut erfordert.«
    »Sie haben gut reden. Sie sind ein verdammter Glückspilz. Und das Leben hat Ihnen meine Frau geschenkt.«
    Danny ließ den Bell über dem Fluss schweben. Tief unten, unter den Regenwolken, bewegten sich glitzernde Scheinwerferlichter in einer Perlenschnur zwischen Louisiana und Mississippi. »Sie haben ein schlechtes Blatt, zugegeben. Aber ich habe Männer gesehen, die noch viel schlimmer dran waren als Sie. Die keine Zeit mehr hatten, irgendwelche Dinge in Ordnung zu bringen oder auch nur den Menschen Lebewohl zu sagen, die wichtig für sie waren. In Schlammlöchern, auf Sandhaufen, verbrannt bei lebendigem Leib in einem beschissenen Humvee … Es ist so, wie Sie es vorhin im Haus gesagt haben: Es ergibt keinen Sinn. Sie wollen eine Antwort, Warren? Sie haben zwei Kinder, die sie lieben. Zwei gesunde Kinder, die alles brauchen, was Sie ihnen geben können, und die Ihnen im Gegenzug alles geben, was sie haben. Das bedeutet sehr viel mehr, als Sie ahnen.«
    Shields senkte die Pistole und zielte wieder auf Dannys Bauch. »Ich habe heute Nacht einen Cop erschossen«, sagte er mit erstickter Stimme.
    »Wenn Sie mich fragen, würde ich sagen, er hat darum gebettelt. Er war ein Bastard, den es sowieso früher oder später erwischt hätte.«
    »Nun ja, die Todesstrafe kann mich ohnehin nicht mehr schrecken.« Shields stieß ein eigenartiges Lachen aus.
    Danny fragte sich, ob er eine Chance hatte, lebend auf festen Boden zurückzukehren. Während sie in der Dunkelheit über dem Fluss schwebten, hatten mehrere Fahrzeuge auf dem nördlichen Strang der Brücke angehalten. Auf der Mississippi-Seite sah Danny rote Polizeilichter flackern.
    »Wer ist der Vater von Laurels Baby?«, fragte Warren mit plötzlicher Eindringlichkeit.
    Danny wandte sich ihm zu. »Ich weiß es nicht.«
    »Verdammt noch mal! Kann mir denn niemand die Wahrheit sagen? Ist das so viel verlangt?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Abgesehen davon spielt es keine Rolle.«
    Warren schloss die Augen. »Glauben Sie, dass Laurel tot ist?«
    Zum ersten Mal sah Danny eine Möglichkeit, sich zu retten. Doch trotz der geschlossenen Augen drückte Warren ihm immer noch die Mündung der Automatik gegen die linke Hüfte. Wären sie ohne Kanzeltüren geflogen – wie Danny es manchmal tat –, oder hätte Warren versäumt, seine Gurte anzulegen, hätte ein geschicktes Manöver mit hohen Beschleunigungskräften Danny eine Chance gegeben, seinen Entführer aus dem Chopper zu schleudern. Aber das war eine müßige Spekulation.
    Danny blickte auf die blitzenden roten Lichter tief unter ihnen. Sie hatten mitten auf der Brücke angehalten. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins: Laurel hatte recht. Wenn Sie sie wirklich lieben, spielt es keine Rolle, wer der Vater des Kindes ist.«
    In Warrens Augen loderte Wut. »Sie lieben Laurel wirklich, nicht wahr?«
    Danny antwortete nicht. Er hatte es bereits einmal gestanden, und er sah keinen Sinn darin, es erneut zu tun und das Risiko einzugehen, sich dadurch eine Kugel einzufangen.
    Warren hob die Pistole an Dannys Schläfe. »Sagen Sie es!«
    »Ich liebe sie«, räumte Danny ein, plötzlich gewahr, dass all sein weltmüdes Gerede über den
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