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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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nach Westen führte. Der Abschnitt, der durch Vidalia ging, hieß Carter Street. Er war leicht zu finden, und bald sah Danny den grasbewachsenen Deich, der im rechten Winkel zum Highway verlief.
    »Da ist es.« Warren deutete nach unten auf ein kleines Haus mit einem älteren, am Straßenrand parkenden Lincoln Continental.
    »Wo soll ich landen?«
    »Auf der Straße. Es gibt keinen Verkehr.«
    Die Nachbarn öffneten ihre Türen und Fenster, als der Helikopter unter fünfzig Meter sank. Bis er schließlich mitten auf der Straße landete, hatte sich eine Menschenmenge im Regen versammelt.
    »Ich kann Oma sehen!«, rief Grant. »Sie steht auf der Veranda!«
    »Spring raus und lauf zu ihr.«
    Grants Kopf erschien wieder zwischen den beiden Vordersitzen. »Kommst du denn nicht mit?«
    Warren schien nicht antworten zu können. Danny beugte sich vor und sah Tränen in den Augen des Arztes. »Major Danny und ich müssen der Polizei helfen, etwas zu erledigen«, sagte Warren schließlich. »Aber Mom kommt bald hierher.«
    »Stimmt das auch, Dad? Was ist denn los?«
    Warren bedeckte die Augen mit der linken Hand, doch seine Rechte hielt die Waffe umfasst. Danny fragte sich, ob Warren ihn wirklich vor den Augen des Jungen erschießen würde.
    Ja, wahrscheinlich.
    »Ich habe bloß Kopfschmerzen«, sagte Warren. »Ich war zulange auf. Du musst jetzt gehen. Du passt auf deine Mutter auf, ja?«
    Grant starrte seinen Vater verwirrt an. »Bis du zurück bist, meinst du?«
    »Natürlich. Los jetzt, geh. Wir sind spät dran.«
    Grant schaute zu Danny, die Augen groß und dunkel und voller Vorahnung. »Mr. Danny?«
    »Tu, was dein Vater gesagt hat, Grant. Keine Angst, es kommt alles wieder in Ordnung.«
    »Los jetzt!«, rief Warren.
    Grant schien kurz davor, in Tränen auszubrechen. Danny wollte den Jungen in die Arme schließen; dann aber zeigte Grant seine Loyalität gegenüber jenem Mann, dem er mehr vertraute als jedem anderen Menschen. Er nickte tapfer und sagte: »Keine Angst, Dad. Ich passe auf Mom auf.« Er kletterte aus dem Helikopter und rannte zu einer schmächtigen, grauhaarigen Frau, die auf der Veranda des kleinen Hauses, vor dem der Lincoln parkte, am Straßenrand stand.
    »Es tut mir leid«, sagte Warren fast unhörbar.
    »Sie schulden diesem Jungen jede Sekunde, die Sie noch auf Erden haben«, beschwor Danny ihn. »Ich weiß, dass Sie mich abgrundtief hassen, aber Sie müssen diesen Selbstmordtrip beenden und sehen, dass Sie Ihre Familie wieder zusammenkriegen.«
    Die ersten Neugierigen lösten sich aus der Menge und näherten sich zögernd dem Helikopter. Shields rammte Danny die Automatik in die Seite. »Bringen Sie uns in die Luft. Los!«
    »Wohin fliegen wir?«
    »In den Himmel. Wie hört sich das an?«
    »Ich glaube nicht an den Himmel. Genauso wenig wie Sie.«
    In Shields’ Augen flackerte so etwas wie Wahnsinn. »Dann eben nach Walhalla. Ist das nicht der Ort, an den die Helden gehen, wenn sie sterben?«
    »Nur wenn sie im Kampf ihr Leben lassen.«
    Ein ironisches Kichern. »Schön, dann eben im Kampf.«
    Danny wusste nicht, ob es besser war, in der Luft zu sterbenoder am Boden. Eines aber wusste er: In der Luft hatte er eine Überlebenschance, weil er den Chopper kontrollierte. Ein Passagier, fest entschlossen zu Mord und Selbstmord, machte die Dinge zwar komplizierter, aber das war immer noch besser als die Kugel, die er sich einfangen würde, sollte er sich weigern zu starten.
    Er zog am Gashebel, betätigte die Blattverstellung, und der kleine Bell hob vom Boden ab und stieg über die Straßenlaternen auf, während er elegant in Richtung der beiden Brücken schwang. Es brachte zwar keinen Vorteil, wenn Danny über Natchez flog, doch irgendetwas zog ihn auf die andere Seite des Flusses, nach Mississippi.
    »Warum melden wir uns nicht beim Sheriff und fragen, wie es Laurel geht?«, schlug Danny vor.
    Warren hob die Pistole und drückte die Mündung gegen Dannys Schläfe. »Warum halten Sie nicht die Klappe und fliegen?«
    »Sagen Sie mir wohin.«
    »Halten Sie uns über dem Fluss.«
    »In welcher Höhe?«
    »Sechshundert Meter.«
    Danny ließ den Bell in einer langsamen Spirale steigen, während er sich fragte, wie lange Shields ihm die Pistole noch an den Kopf halten würde. Die Waffe ließ ihm wenig Handlungsspielraum. Doch er hatte bereits einen ungefähren Plan. Wenn er den Chopper auf die Seite legte und eine enge Kurve flog, konnte es ihm vielleicht gelingen, Shields’ Gurt zu öffnen und den Mann über
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