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1195 - Der Engelskerker

1195 - Der Engelskerker

Titel: 1195 - Der Engelskerker
Autoren: Jason Dark
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hätten wir auch gern die Rechnung«, sagte Harry.
    »Sehr wohl.«
    »Zahlst du?« fragte Dagmar.
    »Ich bin so frei.«
    »Danke.« Sie schlug leicht auf den Tisch. »Hätte ich das vorhin gewusst, dann hätte ich…«
    »Ja, ja, ja, dann hättest du Champagner oder zumindest Sekt bestellt und den besten Rotwein zum Filet.«
    »Aber nicht zum Rind.«
    »Klar, BSE. Das Thema.« Harry hob sein Glas mit dem eiskalten Aquavit und prostete ihr zu. »Auf unseren kleinen Urlaub.«
    »Danke.« Dagmar trank den Espresso, der sehr heiß war. Sie schüttelte sich ebenso wie Harry Stahl bei seinem kalten Getränk. Danach zahlte er und legte noch ein Trinkgeld hinzu, das den jungen Mann strahlen ließ.
    Bevor der sich verdrücken konnte, hielt Harry ihn mit einer Frage auf. »Nur ganz kurz, Meister.«
    »Ja, bitte.«
    »Haben Sie in diesem Lokal schon mal Schreie gehört? Ich meine, nicht Schreie der Gäste, sondern leise Rufe, die aus einer kaum fassbaren Entfernung kamen. Als läge jemand in der Nähe, der unter einer großen Qual leidet.«
    Der junge Mann schaute Harry ins Gesicht. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Dagmar Hansen schüttelte den Kopf, doch Harry schaute den Kellner so entwaffnend an, dass dieser sich verpflichtet fühlte, etwas zu sagen.
    »Ich weiß nicht so recht, was Sie meinen, mein Herr…«
    »Schreie eben…«
    »Eigentlich nicht.«
    Harry sah, dass sich der Kellner unwohl fühlte, aber gab nicht auf. »Das Lokal hier heißt doch Engelskerker.«
    »Stimmt.«
    »Warum? Ist hier mal jemand eingekerkert worden? Hat man hier eine Person gefangen gesetzt?«
    Der junge Mann bekam einen roten Kopf. Er wollte nicht unhöflich sein und suchte nach einer Antwort. »So genau kenne ich mich hier nicht aus, wenn ich ehrlich bin. Es ist schon ein komischer Name, das stimmt, aber hier in Goslar erleben Sie das oft. Hier ist ja der Bereich der Hexen…«
    »Ja, das wissen wir. Aber Sie haben hier im Lokal nie ferne Schreie gehört?«
    »Bisher noch nicht.«
    Harry lächelte ihm zu, nickte und sagte schlicht: »Danke sehr, mein Lieber.«
    Stahl wartete, bis der junge Mann verschwunden war, und kümmerte sich wieder um seine Partnerin. »Da hast du es gehört. Es gibt die Schreie nicht.«
    »Moment, Harry, für ihn nicht. Ich aber bleibe dabei. Ich habe sie gehört.«
    »Ja, ja, das sagst du.«
    »Warum willst du mir nicht glauben?« Sie schaute ihn ernst an und bohrte ihre Blicke in seine Augen.
    Harry blies die Luft aus. »Ich möchte dir ja glauben, und ich glaube dir auch, Dagmar. Ich weiß ja, dass du als Psychonautin etwas Besonderes bist, aber es ist auch für mich verdammt schwer, mich in deine Lage zu versetzen. Wer schreit, hat Angst, das weiß ich auch. Und hier muss jemand Angst haben, den wir nicht sehen.«
    »Das denke ich auch.«
    »Und wer?«
    »Zumindest ist es eine Frau.«
    »Das ist immerhin etwas.«
    »Es war der Schrei einer Frau, Harry, das weiß ich genau. Und sie hat sich angehört, als litte sie unter starker Angst.« Dagmar ballte die Hände zu Fäusten. »Unter einer großen Qual. Ein mörderischer Druck, wenn du verstehst.«
    »Klar.«
    Sie deutete auf ihren Kopf. »Hier ist etwas«, flüsterte sie. »Hier in der Nähe. Vielleicht sogar hier im Raum.« Sie bewegte den Kopf. »Aber nicht zu sehen.«
    »Engelskerker«, murmelte Harry.
    »Was meinst du?«
    Er wiederholte das Wort. »Das Lokal heißt ja so. Und wie viele Gebäude hier wird es auch seine Geschichte haben. Ein Kerker, in dem Engel sind, die man irgendwann mal eingesperrt hat. Oder auch nur ein Engel. So jedenfalls würde ich den Namen interpretieren.«
    »Und jetzt hat dieser Engel um Hilfe geschrieen - oder?«
    »Man könnte es so ansehen. Aber das weiß ich alles nicht, Harry. Es war nur eine Idee. Jedenfalls glaube ich nicht, und das sage ich noch mal, dass ich mich geirrt habe. Nein, ich habe mich nicht geirrt. Ich habe es gehört.«
    »Okay.«
    Für Dagmar Hansen war das Thema damit erledigt. Sie schob den Stuhl zurück, um Platz zum Aufstehen zu haben. Beide sprachen nicht darüber, während sie ihre dicken, mit Gänsedaunen gefütterten Jacken überstreiften, aber sie hingen schon ihren Gedanken nach, das war ihren Gesichtern anzusehen.
    Hintereinander gingen sie die schmale Holztreppe hinab. Unten hielten sich mehr Gäste auf. Die Theke war umlagert, und der Wirt winkte ihnen zum Abschied zu. Er war ein Mann mit dunklen gescheitelten Haaren und einem Oberlippenbart.
    Auch der junge Kellner hielt sich in diesem Bereich
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