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1195 - Der Engelskerker

1195 - Der Engelskerker

Titel: 1195 - Der Engelskerker
Autoren: Jason Dark
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auf. Er stand in der Ecke und rauchte eine Zigarette, zog sich aber schnell zurück, als er die beiden sah. Er wollte auf keinen Fall irgendwelche Fragen gestellt bekommen.
    Bevor sie die Tür erreichten, mussten sie noch einen Vorhang zur Seite schieben. Eine dicke, aber nicht sehr hohe Tür ließ sich nur etwas mühsam nach außen schieben. Mit ihrer Unterseite kratzte sie über den Schnee hinweg, der nicht weggetaut war und durch den Frost eine harte Kruste erhalten hatte.
    Das Außenlicht streute seine Helligkeit in die Tiefe und gab dem Eis einen anderen Anstrich. Es sah fast wertvoll aus, als der Schein darüber hinwegfloss.
    Dagmar und Harry blieben vor dem Lokal stehen und atmeten tief die kalte Luft ein. Und kalt war es. Die Temperaturen warenhoch weiter gesackt. Aber es wehte so gut wie kein Wind, deshalb ließ sich die Kälte ertragen. Auch das große Rad der alten Mühle, nur ein paar Meter entfernt, drehte sich nicht. Eis hing als lange Zapfen von den Schaufeln des Rads herab. Selbst das Wasser des schmalen Mühlbachs schien eingefroren zu sein. Die beiden hörten nicht das leiseste Plätschern.
    In der Stadt selbst war es ebenfalls ruhig. Vom nahen Marktplatz waren hin und wieder Stimmen zu hören oder manchmal Schritte, die über den harschigen Schnee kratzten.
    Ihr Hotel lag nur um die Ecke. Direkt am Marktplatz stand das historische Gebäude, in dessen Keller sie noch einen Abschlussdrink nehmen wollten.
    Harry drehte sich bereits nach rechts, um durch die Gasse zum Marktplatz zu gehen, als er Dagmars Stimme hörte.
    »Augenblick mal.«
    Harry wandte sich wieder um. »Was ist denn?«
    Dagmar gab die Antwort auf ihre Weise. Sie hatte die Kapuze wieder abgestreift, um den Kopf frei zu haben. Mit zwei Schritten hatte sie die Mauer des Lokals erreicht und neigte dort ihr Ohr dagegen.
    Harry konnte nur den Kopf schütteln. Für ihn war Dagmar verrückt geworden, aber er hielt sich mit einem Kommentar zurück. Er ging zu ihr, als sie ihm zuwinkte.
    »Was ist denn?«
    »Leg dein Ohr an die Mauer, Harry. Horche selbst, und dann sag mir, was du hörst.«
    Er schaute sie skeptisch an, wollte jedoch kein Spielverderber sein und legte das Ohr gegen das kalte Fachwerk. Dagmar war zur Seite getreten, um ihn nicht zu stören. Sie schaute für einen Moment hoch in den blau wirkenden und sehr klaren Himmel mit all seinen zahlreichen Sternen. Es war ein wunderbares Bild, das sie am liebsten fotografiert hätte.
    Derartige Nächte erlebte man nicht oft, und Dagmar ließ sich davon faszinieren.
    Der Blick auf Harry.
    Er stand noch immer an der gleichen Stelle. Seine Haltung hatte sich etwas verändert. Sie wirkte jetzt gespannter, als stünde er unter Strom. Vor seinem Mund zerflatterte der Atem, und dann sah sie, wie er langsam den Kopf schüttelte.
    »Und?« Sie trat näher.
    Harry Stahl löste sich von der Wand. Seinem Gesicht war anzusehen, was er dachte. Oder auch nicht dachte, denn er sah ziemlich durcheinander aus.
    »Hast du die Schreie gehört, Harry?«
    Stahl nickte nur…
    ***
    Dagmar Hansen sagte nichts, aber sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    Harry kam auf sie zu. Der harte Schnee knirschte unter seinen Sohlen, und erst als er dicht neben ihr stand und sie seinen warmen Atem spürte, war er wieder in der Lage, ein Wort zu sagen.
    »Schreie«, flüsterte er, »es waren Schreie, wie du schon gesagt hast. Schlimm. Schreie von Personen, die nicht zu sehen waren. Oder von einer Person. Ich weiß es nicht. Jedenfalls war es grauenhaft. Ich weiß auch nichts…«
    »Sie sind im Haus, Harry.«
    »In der Wand.«
    »Ja, auch.«
    »Der Engelskerker.«
    Dagmar sah an der Fassade hoch. Sie sah das Eis an der Dachrinne, das nach unten hing und aussah wie Kerzen ohne Docht. »Irgendetwas stimmt hier nicht, Harry. Irgendwas mit dem Gebäude. Irgendetwas kann ich auch durch meine Anwesenheit gestört haben. Ich habe die Schreie so empfunden, als hätte jemand schreckliche Angst. Das große Leiden, die große Furcht vor Qual und Folter.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Genaues kann ich nicht sagen, aber es ist schon interessant.«
    »Klar, das ist es.«
    Sie musste lachen. »Warum sagst du das mit einem so seltsamen Unterton?«
    »Ganz klar, Dagmar. Wir sind nach Goslar gefahren, um einige Tage zu entspannen, aber wie ich uns kenne, ist es damit wohl vorbei. Oder sehe ich das falsch?«
    »Nicht unbedingt. Wenn jemand Hilfe braucht, müssen wir uns darum kümmern.«
    »Urlaub vorbei?«
    Sie wollte keine konkrete
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