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1178 - Lisas Totenruf

1178 - Lisas Totenruf

Titel: 1178 - Lisas Totenruf
Autoren: Jason Dark
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Früher bin ich heimlich zu Beerdigungen gegangen. Ich habe mir zuvor auch die aufgebahrten Leichen angesehen. Manche waren wirklich wunderschön. Andere konnte man vergessen. Ich habe mich immer gefragt, wo ihre Seelen sein mochten. Ich glaubte nicht daran, dass die Seele einfach verschwunden ist. Das geht nicht. Sie müssen sich noch in diesen Regionen aufgehalten haben. Über dem Friedhof schwebend wie unsichtbare Engel. Ich wollte Kontakt mit ihnen aufnehmen, aber ich habe sie noch nicht gefunden.«
    »Dafür den Ghoul!«
    »Genau. Er hat versprochen, mir dabei behilflich zu sein. Er will mir eine andere Welt zeigen, und irgendwann werde ich auch mein Ziel erreichen.«
    Für Suko stand fest, dass Lisa nicht mehr richtig bei Verstand war. Sie stand auf der Schwelle zum Wahnsinn. Er suchte ihren Blick. Die Augen waren nicht genau zu erkennen, aber Sukos Meinung nach hatte sich der Blick verändert. Er gehörte zu keinem normalen Menschen.
    »Du hast sie getötet!«, flüsterte Goldman mit rauer Stimme. »Du hast meine Mutter umgebracht. Sie war eine alte Frau. Sie hat niemand etwas zu Leide getan. Sie war bei allen beliebt, und sie ging mit gutem Gewissen zum Friedhof, um ihre verstorbene Freundin zu besuchen. Das vergesse ich dir nicht. Und deshalb werde ich dich auch töten. Ich werde dich durch zwei Schrotladungen zerstückeln und…«
    »Nichts wirst du tun, gar nichts!«, schrie sie Goldman an. »Du hast immer noch nicht begriffen, dass ich stärker bin als du und auch als dein Helfer.«
    »Ich töte dich!«
    »Lassen Sie das!«, sagte Suko scharf. Er wollte nicht, dass Lisa zu stark provoziert wurde.
    »Aber sie war meine Mutter!«
    »Ja, ja und ich weiß es!«
    Goldman schwieg. Er atmete nur noch heftig. Suko ließ Lisa nicht aus den Augen. Er wartete auf das Zeichen, auf dieses berühmte Zucken in den Augen, das in dem Augenblick auftrat, wenn sie sich entschlossen hatte, abzudrücken.
    »Da wäre noch etwas«, sagte er.
    »Ja, rede, aber schnell.«
    Suko entspannte sich. Er lächelte auch. Er drehte sich zur Seite hin und hob den rechten Arm.
    »He, was soll das?«
    Die ausgestreckten Finger berührten den Stab in dem Augenblick, als Lisa die Waffe von Goldmans Gesicht wegnahm und damit auf Suko zielte.
    Ein Wort reichte aus, um alles zu verändern.
    »Topar!«
    ***
    Ich hatte erwartet, von einem Stein am Kopf getroffen worden zu sein, nur traf dies nicht zu. Mich hatte der dicke Knoten eines hart geworfenen Netzes erwischt. Dass ich gefallen war, lag daran, dass ich mich beim Gehen in einer Masche verfangen hatte und mit dem Fuß nicht mehr rausgekommen war.
    Deshalb lag ich am Boden. Ich wurde nicht bewusstlos. Das leichte Dröhnen in meinem Kopf klang ab, und ich drehte mich mit einer schwerfälligen Bewegung zur Seite.
    Unter den halb geschlossenen Augen schaute ich zu, was weiterhin passierte.
    Der Ghoul hatte sich auf dem Dach zusammengekrümmt hingesetzt. Jetzt richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und glitt auf den Rand zu.
    Zum ersten Mal bekam ich ihn richtig zu Gesicht. Durch meine liegende Position wirkte er noch mächtiger und auch klobiger. Man konnte ihn durchaus mit einem unförmigen Koloss vergleichen.
    Er hatte einen Körper, der aus Schleim bestand. Vielleicht auch nicht nur aus Schleim. Möglicherweise hatte sich das Zeug auch über seinen normalen Körper gelegt oder war aus seinen Poren hervorgedrungen. Jedenfalls besaß er noch den Kopf eines Menschen, was irgendwie lächerlich aussah, aber alles andere als lächerlich war.
    Ein breites Gesicht. Keine Haare. Der Kopf wie ein Ei. Kleine Augen. Lippen, die so etwas wie einen Schmollmund bildeten, aus dem dicke Tropfen rannen, die eklig stanken, ebenso wie die gesamte Gestalt des verdammten Ghouls.
    Ich lag unter dem Netz. Es war ein schweres Ding. Aus dicken Tauen hergestellt. Okay, es war keine Tragik, darunter begraben zu sein, aber es war auch nicht so leicht, sich davon zu befreien. Es würde Zeit kosten, und das würde der Ghoul nicht zulassen.
    Dann sprang er.
    Er klatschte auf den Boden. Er sah aus wie ein mächtiger Ballon, der sich über die Kante des Dachs geschoben hatte. Auf dem Boden sah er aus wie jemand, der daran festklebte und sich zudem ausbreitete. Manche hätten gelacht, doch sie kannten keine Ghouls, die sich vom Fleisch der Toten ernährten.
    Als lebende Person war ich nicht interessant für ihn. Er musste mich schon umbringen, und das hatte er auch vor, denn jetzt erst sah ich seine Waffe, die er bisher
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