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1140 - Der Eindringling

Titel: 1140 - Der Eindringling
Autoren: Unbekannt
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krächzend.
    Hurt zuckte die Schultern, wandte sich nach rechts und öffnete die Tür zu Tinas Zimmer - sie schliefen getrennt, seit Tina vor Jahren ihren okkultistischen Spleen auch auf praktische Übungen ausgedehnt hatte und sich nächstens ebenso enthusiastisch wie erfolglos um die Beschwörung diverser Geister bemühte.
    Drinnen war es fast völlig dunkel. Tina schnarchte leise vor sich hin. Hurt tastete sich an ihr Bett und rüttelte sie leicht an der Schulter.
    „Wach auf!" sagte er. „Wir haben einen Gast im Haus."
    „Was?" fragte Tina erschrocken und fuhr in die Höhe. „Wer? Mildred?"
    „Wenn es unsere Tochter ist, dann hat sich die Mode in Europa gewaltig verändert", bemerkte Hurt mit Galgenhumor. „Da drüben schwebt er."
    Tina starrte zur Tür, wo sich das vordere Ende des Tanks wie der Kopf eines merkwürdigen Riesenwurms scheinbar suchend auf und ab bewegte. Hurt hoffte inständig, daß das, was darin saß, das Bewußtsein verlieren möge, aber er hatte an diesem Morgen kein Glück mit solchen Wünschen.
    „Was ist das?" fragte Tina verschlafen. „Ein Roboter?"
    „Wenn ich das ganz genau wüßte, wäre mir wohler", murmelte Hurt. „Aber was es auch sein mag - es hat eine Waffe, und es hat mich gezwungen, es ins Haus zu führen."
    „Sind noch mehr Menschen da?" fragte der Tank.
    „Nein", erwiderte Hurt.
    „Zeige mir alle Räume in diesem Haus!"
    „Sofort", versicherte Hurt und raunte seiner Frau zu: „Wenn ich nach hinten gehe, rufst du die Polizei!"
    „Wenn sie das tut, töte ich dich", sagte der Tank so kalt und gleichgültig, daß dem alten Mann eine Gänsehaut über den Rücken lief.
    „Schon gut", sagte er hastig. „Es war nur ein Versuch. Du kannst doch wohl einen kleinen Scherz verstehen, oder nicht?"
    „Nein."
    „Wenn es so ist - dann eben nicht. Laß mich vorbei, dann zeige ich dir die anderen Zimmer."
    Er ließ Tina in dem dunklen Zimmer zurück, und sie sagte kein Wort. Das wunderte ihn nicht - angesichts dieses erstaunlichen „Gastes" hatte es ihr wahrscheinlich die Sprache verschlagen. Aber eine kleine Portion von moralischem Beistand hätte ihm trotzdem gut getan.
    Das Häuschen der Gassners war nicht besonders groß. Da gab es die Diele, die Wohnküche, das Wohnzimmer, zwei Schlaf räume und das Zimmer, in dem Mildred früher gelebt hatte. Das eigentliche Wohnzimmer diente den Gassners jetzt als Arbeitsraum - dort glätteten, polierten, bemalten und lackierten sie ihre „Kunstwerke".
    Der Tank sah sich alles sorgfältig und gründlich an und schnüffelte - soweit ihm das bei seiner Größe möglich war - in allen Ecken herum. Inzwischen hatte Tina sich angezogen und in aller Ruhe begonnen; das Frühstück zuzubereiten. Als Hurt mit dem Tank in die Wohnküche kam, blieb er erstaunt stehen: Es roch nach Eiern mit Speck. Unwillkürlich sah er sich nach Sim um. Der arme Bursche kauerte unter einer Sitzbank, hin und hergerissen zwischen Heißhunger und nackter Angst.
    Tina nahm die Pfanne vom Herd und lächelte, aber ihr Lächeln ging an Hurt vorbei und galt eindeutig dem Tank, der eben in diesem Augenblick den alten Mann mit einem leichten Stups dazu aufforderte, weiter in den Raum hineinzugehen.
    „Möchtest du auch etwas, verehrter Meister?" fragte sie.
    Hurt taumelte auf eine der Sitzbänke und wäre dem armen Sim fast auf die Pfote getreten. Fassungslos starrte er seine Frau an.
    Tina war früher eine Schönheit gewesen. Mittlerweile war sie jedoch einhundertachtundsechzig Jahre alt. Sie war nur sehr knappe einssiebzig groß, braunäugig, brünett und pummelig, um es schonend auszudrücken. Sie war nicht fett, aber dick, und sie wußte das. Sie hatte auch niemals einen Hehl daraus gemacht. Als Hurt sie vor langer Zeit kennen gelernt hatte, war sie zierlich wie eine Elfe gewesen - aber da stand sie auch noch im zarten Alter von achtzehn Jahren. Zehn Jahre später hatten sie einen Ehevertrag geschlossen. Ihn dann gelöst und es rund fünfzig Jahre später noch einmal versucht. Ihn wieder gelöst und nach weiteren dreißig Jahren abermals zueinander gefunden. Zehn Jahre später kam Mildred zur Welt, und sie wandelten den Ehevertrag in eine echte Ehe um. Hurt hatte einige Überraschungen mit seiner Frau erlebt, aber das hier setzte allem die Krone auf.
    „Warum nennst du ihn so?" fragte er, und „Warum nennst du mich so?" fragte der Tank im selben Augenblick.
    „Das geht dich nichts an", warf Tina ihrem Mann schnippisch zu, um dem Tank ehrerbietig mitzuteilen: „Du
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