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1139 - Das Herz der Jungfrau

1139 - Das Herz der Jungfrau

Titel: 1139 - Das Herz der Jungfrau
Autoren: Jason Dark
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bleiben. Das sage ich nicht nur so, ich weiß es. Ich habe es gesehen.«
    »Deshalb bin ich bei dir.«
    »Warum genau?«
    »Ich möchte etwas für sie tun.«
    »Johanna ist tot.«
    »Das weiß ich, aber sie war eine besondere junge Frau. Eine, die man niemals vergessen wird. Die eine Freundin der Heiligen war, die nicht einfach so sterben darf, verstehst du, Gabriela?«
    »Nein.«
    McMurdock fasste sie mit beiden Händen an. Er spürte, wie dünn ihre Schulterknochen unter dem Stoff der Kleidung waren. »Sie ist nicht einfach so gegangen. Das will ich nicht wahrhaben. Das ist für mich nicht zu fassen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Es muss etwas zurückgeblieben sein, Gabriela, und deshalb bin ich bei dir.« Er ließ sie los, aber er hatte gespürt, wie sie sich noch für einen Moment versteift hatte. Also liege ich richtig mit meiner Vermutung, dachte er.
    Gabriela bestätigte nichts. Es blieb bei ihrem Schweigen, und sie schaute ihn nur an.
    »Bitte, sag etwas.«
    »Warum hast du das alles gesagt?« fragte sie leise nach einem langen Seufzen.
    McMurdock schluckte. »Weißt du wirklich nicht, weshalb ich zu dir gekommen bin?«
    »Nein…«
    Er glaubte Gabriela nicht, aber er wollte sie auch nicht als Lügnerin hinstellen, denn das hatte die Frau mit dem Zweiten Gesicht nicht verdient. Er wollte offen ihr gegenüber sein und nickte zweimal. »Ich bin oft in ihrer Nähe gewesen. Ich habe das weiße Banner mit Stolz geschwungen, und sie hat mit mir oft über die Stimmen gesprochen und auch über dich. Sie hat mich ins Vertrauen gezogen, und wir von der Garde wären für sie durchs Feuer gegangen. Man hätte uns an ihrer Stelle verbrennen können, und wir hätten uns nicht gewehrt. Aber es kam anders. Die eine große Schlacht wurde gewonnen, und wir waren sehr stolz, doch der Krieg ging weiter. Die Engländer wollten keinen Frieden. Sie fühlten sich nicht unterlegen, obwohl sie verloren hatten. Und auch Johanna hat gespürt, dass noch etwas geschehen würde. Ich saß in einer Nacht mit ihr zusammen, da haben wir darüber gesprochen. Es war eine Nacht nach dem Sieg, doch sie fühlte sich nicht als Siegerin. Die Stimmen waren auch anders, wie sie mir sagte, und sie sprach dann von ihren Todesahnungen, die über sie gekommen waren.«
    »Ich weiß, McMurdock!«
    »Woher?«
    »Vergiss nicht, dass die Menschen sagen, ich habe das Zweite Gesicht. Ich sehe vieles, aber ich behalte das meiste für mich.«
    »Dann hättest du sie warnen müssen.«
    Die alte Frau lachte leise. »Warnen? Vielleicht. Doch hätte das etwas verändert? Unser aller Schicksal ist vorgeschrieben, und wir können uns nicht dagegenstemmen. Das musst auch du wissen und begreifen. Sieg und Niederlage liegen oft so dicht beisammen wie Leben und Tod. Es kann dich plötzlich treffen, doch bei Johanna war schon eine lange Zeit der Vorbereitung nötig.«
    »Ja, das habe ich gehört«, gab er zu. »Auch sie muss es gewusst haben, als wir in der Nacht zusammen saßen. Es war niemand bei uns, und da hat sie mir ein Geheimnis anvertraut, dessentwegen ich dich besucht habe, Gabriela.«
    »Ich fühle mich geehrt. Willst du es mir sagen?«
    »Das hatte ich vor.«
    »Dann ist es kein Geheimnis mehr. Dann hast du das Vertrauen der Johanna gebrochen.«
    »Ich weiß es, ich weiß es.« McMurdock verzog gequält sein Gesicht. »Aber ich denke heute anders darüber, denn sie hat dich als ihre Vertraute schon seit Kindertagen auserwählt. Deshalb kannst du einfach nicht schlecht sein.«
    »Hilf mir hoch«, sagte Gabriela und streckte Dean die Hand entgegen. »Es wird hier immer so dunkel. Lass uns an den Tisch gehen und die letzte Helligkeit genießen, bevor die Finsternis der Nacht uns überschwemmen wird.«
    McMurdock fasste ihre schmale Hand an und zog die Frau in die Höhe. Sie war ein Leichtgewicht, und sie hielt sich am Arm des Mannes fest, als sie auf den Tisch zugingen. Die Füße der alt gewordenen Frau schlurften über den rauhen Boden hinweg. Sie holte nach jedem zweiten Schritt tief Luft, und Dean hörte, wie ihr Atem rasselte.
    Er rückte ihr einen Hocker zurecht, damit sie sich setzen konnte und holte einen zweiten, den er ebenfalls an den Tisch stellte und dann seinen Platz einnahm.
    Gabriela drehte ihren Kopf nach rechts und ließ den Strahl der Sonne auf ihr Gesicht scheinen. Sie lächelte. »Es ist so wunderbar, das Licht zu spüren. Es bäumt sich noch einmal auf, aber es wird es nicht schaffen, die Nacht zu besiegen. Erst später wird die Sonne wieder die
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