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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter
Autoren: Jason Dark
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alle gleich wirkten.
    Sie ließ das Programm laufen, weil ihr die Musik gefiel, stellte den Ton allerdings leiser.
    Mary streckte ihre Beine aus. So wirkte die Haltung entspannt, was jedoch nicht der Fall war, denn in ihrem Innern brodelte es. Sie wußte, daß die Nacht noch nicht vorbei war und noch etwas passieren würde. Der Sturm war böse. Böse Kräfte trieben ihn an.
    Unheimliche Mächte hatten sich den Ort als Beute ausgesucht und auch vor dem Pfarrer nicht haltgemacht. Es war bestimmt nicht grundlos geschehen. Es mußte ein Motiv geben, und Mary war mittlerweile davon überzeugt, daß ihr Mann Douglas mehr darüber wußte.
    Nur hatte er es ihr nicht gesagt. Er war immer still gewesen und noch stiller geworden.
    Sie weinte. Tränen rannen über ihre Wangen. Die Lippen zuckten. Auf der Brust lag ein schwerer Druck, wie von einem Alptraum erzeugt. Die Furcht brodelte in ihr. Sie war so allein und fühlte sich trotzdem in Gefahr. Mary merkte nicht, wie die Zeit verrann. Die Welt um sie herum verschwamm. Sie war dabei, einzuschlafen, ohne allerdings die Schwelle völlig zu überschreiten, so daß der Zustand mehr einem Dämmern glich.
    Dann wurde sie wach!
    Urplötzlich und ohne erkennbaren Grund. Mary schreckte regelrecht in die Höhe, setzte sich steif und aufrecht hin und schaute sich zunächst einmal um wie eine Fremde.
    Fremd war ihr die Umgebung nicht. Auch wenn nur der Fernseher als Lichtquelle diente, sah sie schon, daß sie in ihrem Wohnzimmer saß. Aber nichts war so geblieben wie vor dem Einschlafen. Es hatte tatsächlich eine Veränderung gegeben.
    Auf dem Bildschirm hatte das Programm gewechselt. Es lief ein Action-Streifen, auf den Mary verzichten konnte. Deshalb schaltete sie den Apparat wieder ab.
    Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sich tatsächlich etwas verändert hatte. Es hing nicht mit dem Zimmer und ihrem Haus zusammen, es hatte einen anderen Grund.
    Der Sturm war abgeflaut. Er heulte nicht mehr um das Haus herum. Es war still geworden.
    Sie schüttelte den Kopf. Fühlte sich etwas benommen und strich dann über ihr Gesicht.
    Stille. Unerträglich beinahe. Kein Laut mehr, kein Wort, das jemand sprach. Ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich, und sie spürte auch den Druck im Magen.
    Über ihren Rücken kroch eine kalte Hand, die aus doppelt so vielen Fingern zu bestehen schien. Es war eisig geworden. Sie fror trotz der Strickjacke.
    Mary war bis auf die Sesselkante vorgerutscht. Dort blieb sie in einer sprungbereiten Haltung sitzen wie jemand, der darauf wartet, daß etwas passiert.
    Erst der Sturm, dann die Stille…
    Sie hörte sich selbst atmen. Auf ihrem Gesicht klebte Schweiß.
    Die Augen zuckten, die Lippen zitterten ebenfalls, aber sie traute sich noch nicht, aufzustehen.
    Ihr Kopf bewegte sich. Zuerst nach rechts. Dort befand sich die Tür. Sie stand nach wie vor halb offen. Dann schaute sie zur linken Seite hin.
    Da war das Fenster. Ein graues, breites Rechteck. Das größte Fenster im kleinen Haus. Es führte zur Straße hin, wo auch die wenigen Laternen standen.
    Die nächste war zu weit entfernt, um ihren Schein bis auf das kleine Grundstück schicken zu können. Schatten schoben sich vor dem Fenster zusammen und bildeten das dunkle Tuch der Finsternis.
    Sie zitterte leicht. Die Angst stieg. Vor dem Sturm hatte sich Mary Pinter nicht so sehr gefürchtet. Die Stille allerdings zerrte an ihren Nerven.
    Mit den Handflächen wischte sie über den Stoff ihrer Schlafanzughose. Auch die Haut an den Beinen war feucht geworden, das spürte sie sehr deutlich.
    Mary Pinter war allein. Nur glaubte sie nicht daran. Etwas hatte der gewaltige Sturm ausgespieen, und genau dieses Etwas und Unbekannte und zugleich Böse wartete in der Nähe. Sie war nicht in der Lage, es in Worte zu fassen oder zu erklären. Es war einfach da, und sie mußte damit fertig werden.
    Die fünfundvierzigjährige Mary Pinter stand auf und bewegte sich dabei wie eine Greisin. Sie spürte das Ziehen in den Gelenken, als sie auf die Tür zuging und noch immer kein Licht machte. Im offenen Viereck blieb sie stehen, die Lippen zusammengepreßt und nur schwach durch die Nase atmend.
    Warum war das passiert? Was hatte sie so erschreckt?
    Es war nicht völlig still geworden. Jetzt, da ihre Sinne sensibilisiert waren, konnte sie sehr deutlich hören, daß der Wind noch um das Haus wehte. Allerdings mit anderen, leisen Lauten. Nicht mehr so wuchtig, schrill oder heulend. Er säuselte mehr, als wollte er ihr durch dieses
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