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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter
Autoren: Jason Dark
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hatten sie einige schadhafte Stellen auf dem Dach ausbessern lassen. Das trug jetzt Früchte.
    Mary schaute auf die Uhr. Es war die erste Bewegung seit langem. Noch eine Stunde und zwei Minuten bis Mitternacht. Sie schauderte, als sie an die Tageswende dachte. Den Grund kannte sie selbst nicht. Es war einfach so.
    Die Tageswende machte ihr plötzlich Angst, und das hatte nichts mit dem Sturm zu tun.
    Sie legte sich nicht wieder hin. Schlafen würde sie nicht können.
    Der Sturm würde die ganze Nacht über toben und sich keine Pause gönnen. Später wollte sich Mary noch einmal hinlegen. Zudem wartete und hoffte sie auf einen Anruf ihres Mannes.
    Die Muskeln waren versteift und taten etwas weh, als sich die Frau aus dem Bett quälte. Sie schob die nackten Füße in ihre Slipper und schloß die Jacke des Schlafanzugs. Nachdenklich blieb sie vor dem Bett stehen wie jemand, der sich hoch unschlüssig darüber ist, was er tun sollte und was nicht.
    Sie wußte es nicht.
    Es war alles so fremd. Sie war auf sich allein gestellt. Sie hatte keinen, den sie fragen konnte. Und sie wußte, daß wieder Unheil in der Luft lag. Es war damit zu rechnen, daß der Friedhof ein neues Grab bekam, in dem wieder einer aus dem Ort liegen würde.
    Wie auch der Pfarrer?
    Darüber hatte sie viel nachgedacht und auch mit ihrem Mann gesprochen. Er hatte kaum einen Kommentar abgegeben und nur die Achseln gezuckt. Es war schon seltsam. Offiziell hieß es, daß er verstorben wäre, aber wem konnte man trauen?
    Die Amtskirche hielt sich zurück. Ihre Vertreter hatten sich mit dem Küster in Verbindung gesetzt und ihm geraten, ruhig zu sein.
    Keine Nachforschungen anzustellen und erst einmal alles auf sich beruhen lassen, bis ein neuer Pfarrer gefunden war.
    Daran hatte Douglas Pinter nichts ändern können. Das wußte auch Mary, denn beide hatten über das Thema oft genug gesprochen, aber niemals darüber, wo der letzte Pfarrer wohl jetzt sein konnte. Sie schwiegen über das Thema, und sie schwiegen es tot, obwohl es im Prinzip so viel zu reden gab.
    Mary ging in die kleine Küche. Sie hatte Durst. Auf dem Boden lagen noch die Holzbohlen, die sich bewegten und regelrecht stöhnten, wenn sie einen Druck verspürten. Das Holz war wetteranfällig, und der Sturm draußen deutete schon auf einen Umschwung hin.
    Sie machte Licht. Nicht die große Lampe schaltete sie ein, sondern die an der Wand. Der Schein reichte ihr aus, um sich orientieren zu können. Im Kühlschrank fand sie Milch, aber auch Wasser. Sie entschied sich für das letztere.
    Dann nahm sie ein Glas und schenkte es fast bis zum Rand voll.
    Sie trank in kleinen Schlucken und richtete ihren Blick dabei zur Decke. Durch das Fenster schaute sie dann in den kleinen Garten.
    Dort sah alles anders aus. Da war nichts mehr ruhig oder still. Da griff der Sturm richtig zu. Er wühlte und schleuderte alles hoch, was nicht niet- und nagelfest war. Papierfetzen flogen ebenso in die Höhe wie Staub und faulige Blätter. Obwohl der Himmel düster war, entdeckte Mary die Wolken dort oben. Sie wurden getrieben, gepeitscht, zerrissen, so daß hin und wieder blanke Stellen zu sehen waren. Sie erkannte schwach den Mond, sah mal das Schimmern einiger Sterne.
    An den Sturm und an dessen Folgen hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Nicht aber an seine Botschaft. Die war nicht zu greifen, man mußte sie einfach spüren. Sie wurde transportiert, und Mary Pinter gehörte zu den Personen, die sie spürten, denn sie hatte sich nicht verändert.
    Die Botschaft hieß Tod!
    Das war die Nacht des Todes. Der Sturm brachte ihn mit. Er sorgte dafür, daß er wieder in den Ort hineingeschleudert wurde, um seine Opfer zu finden.
    Im Fernsehen hatten sie gesagt, daß der Sturm gegen Mitternacht abflauen würde. Danach würde es still werden, sehr still, und Mary Pinter fragte sich, was ihr wohl besser gefallen würde. Denn auch eine Stille konnte bedrückend sein. Sie würde erst richtig fühlen wie allein sie darin war.
    Sie betrat das Wohnzimmer. Es war mit dunklen Möbeln eingerichtet. Der Bildschirm des Fernsehers war als matter Fleck zu sehen. Mary fror. Sie streifte eine Strickjacke über, die auf einem Sessel gelegen hatte. Dort nahm sie ebenfalls Platz, umhüllt von der Dunkelheit. Die Fernbedienung lag in Griffweite. Mary hob sie an und schaltete die Glotze ein.
    Eine junge Frau lächelte ihr zu, bevor sie aus dem Bild tanzte. Ein Unterhaltungsprogramm mit schönen, jungen Mädchen in tollen Kostümen, die trotzdem
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