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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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seiner Nähe.
    Nur Bäume und Lorbeersträucher umstanden das Schloss von allen Seiten. Sie fesselte den jungen Mann an einen Baum, ging fort und überließ ihn seinem Schicksal.
    Der junge Mann blieb bis zum Abend dort allein. Dann sah er plötzlich zehn Ritter auf das Schloss zukommen. Einer von ihnen ritt auf einem Löwen.
    Als sie näher gekommen waren, sagte der, der auf dem Löwen ritt, zu seinen Leuten: «W as ist das für ein Mann, der da an den Baum gefesselt ist? Es kommt doch sonst kein Mensch an diesen Ort!»
    Und seine Gefährten erwiderten : «Es wird wohl ein Fremder sein, der sich hier nicht auskennt. Wahrscheinlich haben ihn die Räuber überfallen , ihm Geld, Gefährten und Gewänder weggenommen und ihn dann zu diesem Ort gebracht und so zugerichtet, wie du ihn vorgefunden hast.»
    «Er soll unser Gast sein», bestimmte der Erste und befahl sogleich, seine Fesseln zu lösen.
    Sie banden ihn los und nahmen ihn mit in ihr Schloss. Er sah ein Schloss, das keine Beschreibung je erfassen könnte. Sie gelangten in einen Saal, wo sich der Löwenreiter auf einer erhöhten Sitzstufe niederließ, die anderen um ihn herum auf niedrigeren Sitzen.
    Nun ließ er Speisen und Getränke vor ihnen auftragen, und sie aßen und tranken den Rest des Tages bis zum Einbruch der Nacht.
    Als nun die Nacht sich über sie gesenkt hatte , wurden Kerzen verteilt und auf goldene und silberne Kandelaber gesteckt. Und wieder setzten sie sich an ihr Mahl und ihr Gelage, bis sie betrunken waren und ihnen ihre Turbane von den Köpfen flogen.
    Doch was war das? Lange Locken senkten sich da herab und wanden sich wie gefleckte Vipern. Es waren zehn Mädchen, Vollmonden gleich, und jene, die auf dem Löwen geritten war, war keine andere als eben seine Freundin, die ihn unter dem Baum so schändlich hintergangen hatte. « Na, wie gefällt dir das, MuhammadIbn Abdallah von Kairouan?», sprach diese ihn an . «Ich werde dich, bei Gott, nie wieder aus diesem Schloss entkommen lassen. Essen und Trinken erhältst du von mir, wann immer du willst.»
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König aber erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
    Die fünfte Nacht

    So spricht Faharâyis, der Philosoph:
    Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
    Da rief Danisad: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
    ~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
    Zehn Tage verbrachte er bei den Mädchen, aß und trank sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken.
    Am elften Tag wandte sie sich erneut an ihn. «Muhammad», sagte sie, «ich will dich und ich begehre dich, und du willst es auch. Doch soll es nicht eher geschehen, als bis ich von der Angelegenheit, die ich zu erledigen habe, zurückgekehrt bin. Ich werde sieben Tage lang fort sein. Danach komme ich wieder, und dann wird endlich das geschehen, wonach du verlangst. Doch nur unter einer Bedingung!»
    «Und was für eine Bedingung ist das?», fragte er zurück.
    «Du darfst dich im ganzen Schloss frei bewegen und überall herumgehen, wo du willst. Nur diesen einen Raum darfst du nicht öffnen und dich auch nicht in seine Nähe begeben.»
    Nachdem sie ihm dieses Versprechen abgenommen hatte, ging sie mit ihren Gefährtinnen davon.
    Der junge Mann blieb nun allein im Schloss zurück. Fünf Tage verbrachte er mit Essen und Trinken.
    Am sechsten Tag aber überkam ihn die Sehnsucht und die Einsamkeit. Er dachte daran, wie verloren er sich fühlte und wie fern er seiner Heimat war, und es kamen ihm die folgenden Verse in den Sinn, die er sogleich rezitierte :
    [ Mutakârib ]
    «Ein Fremder gedachte vergangener Zeiten,
    Im Herzen ein Feuer von Ghadaholzscheiten:
    Hat Gott mir das Schicksal der Fremde bestimmt,
    So geh’ ich, wohin die Geschicke mich leiten.»
    Sie erzählte weiter:
    ~ Nachdem er sein Gedicht zu Ende gesprochen hatte, dachte er bei sich: «Hiernach kommt ohnehin nichts anderes mehr als der Tod. Ich werde also, bei Gott, die verbotene Kammer öffnen und nachsehen, was darin ist. Dieses Leben ist mir verhasst!»
    Und er öffnete die Tür und betrat den Raum. Darin fand er nichts und niemanden. «Bei Gott, das ist aber seltsam!», rief er aus.
    Wie er
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