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1004 - Das Phantom in der Fremde

1004 - Das Phantom in der Fremde

Titel: 1004 - Das Phantom in der Fremde
Autoren: Jason Dark
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mich dort mit dem Ellbogen abzustützen.
    Ich kam auch hoch. Saß schräg, den linken Arm wie einen Stützpfeiler benutzend und hörte Schritte.
    Ich drehte den Kopf.
    Der Mann, der mich durch die Kirche gezogen hatte, kam auf mich zu. Die schmale Seitenpforte hatte er nicht wieder geschlossen. Sie stand offen. Durch das Rechteck drang Sonnenlicht in die Kirche hinein. Es erreichte mich nicht, dazu lag ich zu weit noch entfernt, aber es strahlte gegen den Mann, so daß ich ihn endlich erkennen konnte.
    Er trug ein langes, dunkles Gewand. Oder einen Mantel. So genau war das nicht zu unterscheiden. Sein Kopf war mit dem Tabot bedeckt, dem Hut der Priester, und an der Vorderseite schimmerte das eingestickte Kreuz.
    Unter dem Hut zeichnete sich das Gesicht ab. Eine dunkle Hautfarbe, nicht negroid. Eine kräftige Nase, ein breiter Mund, den er zu einem Lächeln verzogen hatte. Ein grauweißer Vollbart beherrschte das Gesicht, verdeckte bis auf die blitzenden Augen beinahe alles.
    Der Mann blieb vor mir stehen und schaute auf mich herab. Das Lächeln auf seinem Mund blieb. Es sollte mir wohl Vertrauen entgegenbringen, und in der Tat fühlte ich mich wohler.
    So lächelte ich zurück. Allerdings ziemlich gequält. Da brauchte ich nicht mal in einen Spiegel zu schauen, um das zu wissen.
    Dann nickte er.
    Was sollte ich tun? Seine Sprache verstand ich nicht, aber es gab noch die Sprache der Gebärden, und die war international. Also streckte ich ihm meinen rechten Arm und auch die Hand entgegen, um ihm zu zeigen, daß er mich hochziehen sollte.
    Der Priester schüttelte den Kopf.
    »Nein?« fragte ich und ließ den Arm wieder sinken. »Soll ich selbst aufstehen?«
    »Noch nicht. Ich muß dir etwas sagen!«
    Fast hätte ich gelacht. Dieser Mensch inmitten dieses so anderen Landes sprach tatsächlich Englisch. Das war ein Hammer, denn damit hätte ich nie gerechnet, und so konnte ich zunächst einmal durchatmen.
    »Was möchtest du mir sagen?« Ich hoffte auf eine längere Antwort in meiner Sprache, damit ich sicher war, mich nicht geirrt zu haben, aber er winkte ab.
    »Nichts?« fragte ich.
    »Später.«
    »Okay!« erwiderte ich und nickte. »Belassen wir es vorerst dabei. Aber ich würde gern wissen, warum du mich gerettet hast und wie der Mensch heißt, dem ich diese Rettung zu verdanken habe.«
    »Ich bin Mikail…«
    Ein Name, über den ich nachdenken mußte. Mikail entsprach Michael. Klar.
    Ich war sicher, daß ich mich nicht irrte. Der Name Michael sagte mir natürlich etwas. Nicht grundlos zierte er als Gravur das obere Ende meines Kreuzes. Der Mythologie nach war er es gewesen, der den aufständischen Engel Luzifer wieder in die Tiefen der Verdammnis gestoßen hatte.
    Ich nickte und behielt das Lächeln bei. »Wenn du Mikail bist, was in unserer Sprache Michael heißt, dann kannst du nicht schlecht sein.«
    »Ach so…«
    »Oder denkst du anders darüber?«
    Er lächelte wieder. »Mein Denken und Handeln wird von vielem bestimmt, Freund…«
    Er hatte Freund gesagt. Dieses eine Wort reichte aus, um in mir eine andere Welt zu schaffen. Plötzlich sah ich die Dinge mit ganz anderen Augen. Am Horizont baute sich ein Strahl der Hoffnung auf, und er wurde heller und heller.
    Ich atmete tief durch.
    Plötzlich störte mich auch nicht mehr die weihrauchgeschwängerte Luft in der Kirche. Ich fühlte mich gut. Es war wie bei einer Pflanze, die nach einem langen Winter von den Sonnenstrahlen geküßt und zu einem neuen, wunderbaren Leben erweckt wurde.
    »Dein Freund hat auch einen Namen«, sagte ich.
    »Ja, du heißt John Sinclair!«
    Die Überraschung traf mich wie ein Speer, dessen Spitze glühte.
    Dieses Gefühl tobte durch meine Brust, und das Brennen weitete sich aus.
    Noch saß ich auf dem Boden, und zum zweitenmal steckte ich dem Priester meine Hand entgegen. Diesmal ergriff er sie. Ich zog mich hoch, stand weniger wacklig auf den Beinen, als ich befürchtet hatte, aber das lag auch an diesem guten Feeling.
    Ich schaute ihn an. Er war beinahe so groß wie ich. Ein stattlicher Mann, dessen Alter nur schwer zu schätzen war. Irgendwo zwischen fünfzig und fünfundsechzig mußte es liegen.
    Er merkte mir an, daß auf meinem Herzen eine Frage brannte.
    Nach ihr erkundigte er sich. »Was möchtest du wissen, John?«
    »John«, wiederholte ich. »Darauf kommt es an. Du kennst meinen Namen, obwohl ich ihn dir noch nicht genannt habe.«
    »Ja, den kenne ich.«
    »Woher?«
    »Ich will es dir sagen, und es ist gar nicht schwer, es
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