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1.000 Euro für jeden

1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
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die
»natürlichen, unveräußerlichen und geheiligten Rechte des Menschen«
niedergelegt sind. Auf diesen ersten Artikel folgen weitere 16, die das Recht
auf Freiheit, Eigentum, Sicherheit, Religions- und Meinungsfreiheit sowie die
Prinzipien von Volkssouveränität und Gewaltenteilung für die Zukunft
verbindlich festschreiben – und zwar weit über Frankreich und weit über
das 18. Jahrhundert hinaus.
    Beide
Erklärungen wurden wesentlich inspiriert von den Philosophen der Aufklärung wie
John Locke, Thomas Paine, Charles Montesquieu oder Immanuel Kant. Allen ging es
um die Verbindung von Natur- und Menschenrechten, um Vernunft und
Selbstbestimmung.
    Doch
wie bei den meisten gesellschaftlichen Umbrüchen waren der Auslöser von
»Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« tiefe Not und das Erleben von großer
Ungerechtigkeit. Auch auf den Straßen von Paris ging es um Existentielles. Die
Brotpreise waren in jenen revolutionären Sommermonaten nach der Missernte des
Vorjahres und einem ungewöhnlich harten Winter auf Rekordhöhen gestiegen. Die
hungrige Landbevölkerung strömte in die Stadt, auf der verzweifelten Suche nach
Nahrung.
    König
Ludwig XVI. verkannte die politische Brisanz der Stunde völlig. Von seiner
Gemahlin Marie Antoinette ist der legendäre Satz überliefert: »Was jammert das
Volk? Wenn es kein Brot hat, dann soll es doch Kuchen essen!« Über Monate
harrte der Monarch mit seinem Hofstaat noch im barocken Schloss Versailles aus,
beobachtete das revolutionäre Paris aus der Ferne, bis er im Oktober 1789 von
aufgebrachten Menschen in die Stadt getrieben und zum Gefangenen seiner
Untertanen wurde. Vier Jahre später wurde er öffentlich per Guillotine
hingerichtet.
    Er
hinterließ ein Land am Rande des Staatsbankrotts. Das teure Leben von Adel und
Klerus, der verschwenderische Lebenswandel des Hofstaates selbst und mehrere
teure Kriege in der Jahrhundertmitte hatten nicht nur die Staatskassen geleert,
sondern auch die Schulden ins Unermessliche steigen lassen: Schon seit Jahren
floss etwa ein Drittel aller Staatsausgaben in die Schuldentilgung, 1788 war es
sogar mehr als die Hälfte der Steuereinnahmen – Frankreich stand kurz vor dem
Finanzkollaps. Als die Menschen in der Hungersnot des Jahres 1789 gegen die
permanent gestiegenen Abgabepflichten, die Wege- und Brückenzölle, die
Frondienste und alle herrschaftlichen Sonderrechte protestierten, hatte das
Land keinen finanziellen Spielraum mehr, um den Forderungen nachzugeben. Aber
selbst mit Geld wäre die Revolution nicht mehr aufzuhalten gewesen.
    Der
sogenannte »Dritte Stand«, etwa 85 Prozent der Bevölkerung, bestand zwar
aus gut zwanzig Millionen bäuerlichen Analphabeten. Zu ihm gehörten jedoch auch
etwa vier Millionen gebildete Bürgerinnen und Bürger, eine aufstrebende Schicht
aus Händlern und Kaufleuten, Anwälten und Ärzten, zudem Gelehrte und Künstler,
die sich zunehmend gegen ihre politische Rechtlosigkeit auflehnten.
    Jede Veränderung muss erst
einmal gedacht werden
    Wie bei
jeder großen Veränderung ging den mutigen Taten ein mutiges Denken voraus. Jede
Revolution braucht einige, die sie denken können. Die Französische Revolution
hatte nicht in jenen dramatischen Monaten rund um den 14. Juli 1789
begonnen. Der Umbruch war lange zuvor mit umwälzenden Ideen verschiedener
Dichter und Denker eingeleitet worden, die den Niedergang gedanklich
vorwegnahmen: Voltaire, Diderot, Rousseau und die Frauenrechtlerin Olympe de
Gouges. Sie kämpften mit den Waffen des Geistes gegen Unfreiheit,
Rechtlosigkeit und Intoleranz, lange bevor der knurrende Magen das französische
Volk an die Bajonette und Kanonen trieb. Das Bürgertum hatte sich von den Ideen
der Aufklärung anstecken lassen: »Sapere aude – Habe Mut, dich deines
Verstandes zu bedienen«, lautete das Credo jener Zeit, die auf Wissen,
kritischen Verstand und technischen Fortschritt setzte. Man wollte sich
– wie Kant es gefordert hatte – aus der »selbstverschuldeten
Unmündigkeit« befreien, in eine neue Zeit aufbrechen, in der nicht die Gnade
der Geburt über die Machtverhältnisse im Land entscheidet, sondern der Mut,
sich des eigenen Verstandes zu bedienen.
    Zur
Hymne der rebellischen Frauen und Männer wurde die Rede des Barbiers aus dem
1784 nach mehrjähriger Zensur endlich uraufgeführten Theaterstück »Der tolle
Tag oder Figaros Hochzeit«, das die Grundlage von Mozarts Oper »Die Hochzeit
des Figaro« bildet: »Adel, Reichtümer, Ränge und Ämter! Wie
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